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Februar 2013
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KONGRESS
Prof. Dr. Erwin Scherfer
Weltbühne Wien
3rd European Congress on
Physiotherapy Education
Ein erfolgreicher Kongress zum Thema Bildung in
der Physiotherapie fand im November in Wien
statt. Ein kurzes Resümee.
Zur Weltbühne der Physiotherapie-Ausbildung wurde Wien
am 08. und 09. November 2012, als sich knapp 600 Ver-
treterInnenaus 48 Nationen, nicht nur aus Europa, sondern
auch aus dem Nahen Osten, aus Afrika, Asien und Ozea-
nien und Amerika trafen, um aktuelle Fragen rund um Aus-,
Fort- und Weiterbildung in der Physiotherapie zu beraten,
um Erfahrungen auszutauschen, Kontakte zu knüpfen und
zu pflegen. Möchte man die zwei Tage mit ihrem vollen
Programm in drei Stichworten zusammenfassen, so könnte
man es vielleicht ausdrücken mit: Vielfalt, Tiefe und leben-
diges Engagement.
Vielfalt
Die Zahl von 208 Vorträgen und Postervorstellungen, die in
den nur zwei Tagen auf dem Programm standen, spricht für
sich: 208 Möglichkeiten, um über innovative Ansätze, For-
schung und Qualitätssicherungsinitiativen in der Physiothe-
rapie-Aus- und Weiterbildung etwas zu erfahren. Das
Programm ist online einsehbar (
-
sioaustria.at/congress) und stellt auf 47 Seiten 49 Sessi-
ons vor. Wenn man Kritik an dem Programm üben kann,
dann nur die, dass die Struktur des Programms mit seinen
parallelen Panel-, Poster- und Vortragssessions es schwie-
rig gestaltete, all das mitzubekommen, was man gerne mit-
genommen hätte. Doch nur so war es möglich, der Vielfalt
möglicher Beiträge Raum zu geben.
Die Zahlen selbst sind Ausdruck für die Weiterentwicklung
unserer Profession in Europa und weltweit, denn das Pro-
gramm behandelte exklusiv Fragen der Aus-, Fort- und
Weiterbildung. Dies zeigt, auf welch reichen Fundus an For-
schung und Innovationen mittlerweile zurückgegriffen wer-
den kann. Inhaltlich kristallisierten sich die Beiträge um die
thematischen Kerne »Bringing evidence into practice«,
»Continuing professional development – a range of oppor-
tunities«, »Education and employment policies«, »Research
on education« und »Education, transition and specializa-
tion« heraus. Zugegeben, die Grenzen zwischen den the-
matischen Schwerpunkten blieben gelegentlich etwas
»fuzzy«. Aber das war gewollt, um möglichst vielen Vorträ-
gen die Möglichkeit zu geben, sich selbst thematisch ein-
zuordnen.
Tiefe
Welche Anforderungen an die Ausbildung sind mit profes-
sioneller Autonomie (bis hin zum Erstkontakt) verbunden?
Wie bringen wir Evidenz in die (Ausbildungs-)Praxis?
Mit welchen Methoden kann die Qualität der Ausbildung
gesichert und weiterentwickelt werden? Welche Heraus-
forderungen stellen sich weltweit und welche sind regional
spezifisch? Dies sind nur ein paar Beispiele für Fragestel-
lungen, die durch ausführliche Präsentationen und
Panel-Diskussionen beleuchtet wurden. Auf dem Kongress
wurde auf diese Weise deutlich, dass die Physiotherapie-Ausbil-
dung nicht um sich selbst kreist, sondern sich global in einer ge-
sellschaftlichen Verantwortung sieht. Der Kongress profitierte
dabei von einer gesunden Mischung, denn die Vortragenden
waren teilweise »educational heavyweights«, die zum Teil bereits
auf jahrzehntelange Erfahrung zurückblicken und diese einbrin-
gen konnten, und teilweise VertreterInnen der Profession, die
noch – mehr oder weniger – am Anfang ihrer Laufbahn stehen.
Heterogenität wurde auch auf einer anderen Ebene deutlich:
Hier bereits die autonome, der Gesellschaft verantwortliche, sich
aber weitgehend selbst regulierende Profession, dort noch eher
der »Assistenzberuf« auf dem Weg zu mehr Selbstbestimmung –
nicht nur in Ausbildungsfragen. Und doch wurde, bei allen Unter-
schiedlichkeiten in den einzelnen Ländern, deutlich, dass man
sich gemeinsam auf dem gleichen Weg befindet und mit doch
sehr ähnlichen Herausforderungen zu tun hat.
Lebendiges Engagement
Dieser Kongress war eine lebendige, engagierte Veranstaltung,
nicht nur, aber auch weil ein großer Teil der Teilnehmer erstaun-
lich jung war. Er war auch eine lebendige Veranstaltung, weil
man sich in den Plattform-Diskussionen, bei den Poster-Präsen-
tationen oder einfach im Foyer zwanglos treffen, miteinander ins
Gespräch kommen konnte. Neue Kontakte entstanden, beste-
hende konnten gepflegt werden. Auch das gehört zu einem er-
folgreichen Kongress. Und es war eine engagierte Veranstaltung,
die ihrem Motto: »Advancing the Professional Profile« gerecht
wurde, denn alle Vorträge und Verhandlungen waren von zwei
Fragen getragen: Wie wir die Physiotherapie durch Edukation vo-
ranbringen können auf ihrer Reise zur Autonomie, wie es Ann
Moore in einer passenden Metapher ausdrückte, und wie Eduka-
tion dazu beitragen kann, dass Physiotherapie die Leistungen,
die gebraucht werden, zu denjenigen bringt, die sie brauchen.
Kein Zweifel, dies war ein erfolgreicher Kongress, der uns lange
und positiv in Erinnerung bleiben wird. Mit einem reichhaltigen
Programm, voller Anregungen und motivierender Begegnungen.
Und wenn sich fast 500 engagierte Kolleginnen und Kollegen aus
Europa und der ganzen Welt treffen, um über Edukation zu bera-
ten und sich inspirieren zu lassen, dann kann man im Bewusst-
sein, einer internationalen »community« mit gemeinsamen
Motiven anzugehören, mit Mut in die Zukunft schauen und die
Herausforderungen angehen.
In diesem Sinne, ein herzliches Dankeschön an Physio Austria
für einen gelungenen Kongress. Servus Wien 2012!
Hello Liverpool 2016!
Prof. Dr. Erwin Scherfer
ist Sozialwissenschafter
und Physiotherapeut.
Er ist Professor an der
Hochschule 21 in Buxtehude,
Deutschland.