Themenschwerpunkt
Berufs- und Bildungsentwicklungen
Der Physiotherapeutische Prozess
in der Ausbildung
PhysiotherapeutInnen nehmen als ExpertIn-
nen von Funktionsstörungen des Bewe-
gungsapparats über das Bewegungs- und
Organsystem Einfluss auf den Menschen als
biopsychosoziale Einheit. Sie bedienen sich
physiotherapeutischer Maßnahmen, die auf
das Bewegungssystem, die Bewegungsent-
wicklung und -kontrolle sowie auf innere
Organe wirken. Dieses breite Wirkungsfeld
der Physiotherapie wird vor allem in den
Bereichen der Prävention, Therapie, Rehabili-
tation sowie der Gesundheitsförderung
angeboten.
Aufgaben und Tätigkeiten der
PhysiotherapeutInnen
Aufgaben und Tätigkeiten von Absolventin-
nen und Absolventen des FH-Bachelorstu-
diengangs Physiotherapie ergeben sich
zum einen aus den im Berufsfeld definierten
Kompetenzen in den Bereichen der Präven-
tion, Therapie und Rehabilitation, zum
anderen aus den im theoretischen und prak-
tischen Unterricht sowie im Praktikum
erworbenen berufsspezifischen Fähigkeiten
und Fertigkeiten in den Bereichen Akut-
medizin, Langzeitmedizin und Rehabilitation
sowie Gesundheitsförderung und Prävention.
PhysiotherapeutInnen orientieren sich in
ihrem Handeln mit PatientInnen/KlientInnen
am Physiotherapeutischen Prozess (siehe
Abbildung 3). Dieser beinhaltet die Problem-
identifikation, die Problembeurteilung und
die Problemlösung.
Der Physiotherapeutische Prozess ist ein
zyklischer Prozess, der einerseits die Vor-
gehensweise einer strukturierten Unter-
suchung und Behandlung und andererseits
die fortlaufende Interpretation, Reflexion und
Evaluation der einzelnen Schritte beinhaltet.
Im Rahmen des Physiotherapeutischen
Prozesses findet das sogenannte »Clinical
Reasoning« (klinisch orientiertes logisches
Denken) statt. Als Clinical Reasoning werden
die Gedankenvorgänge und die Entschei-
dungsfindung während des therapeutischen
Handelns bezeichnet. Clinical Reasoning
macht eigene Denkprozesse bewusst, und
dadurch werden Vorgehensweisen geprüft
und hinterfragt.
Qualitätssicherung in der Ausbildung
Qualitätssicherungsprozesse sind mittler-
weile auch im österreichischen Fachhoch-
schulsektor gut entwickelt und beinhalten
sowohl die Überprüfung der fachlichen,
inhaltlichen Ebenen der einzelnen Studien-
gänge als auch institutionelle Bewertungen
der Fachhochschulen.
Beide Arten der Überprüfung bedienen sich
einerseits der internen Überprüfung (interne
Evaluation) und andererseits auch der
externe Überprüfung (externe Evaluation).
Ein Evaluationsbericht nimmt
zu folgenden Punkten Stellung
°
Ausbildungsziele und Didaktik
°
Studierende
°
Organisation und Qualitätssicherung
°
Personal
°
Infrastruktur und angewandte F&E
Die zuständige Institution für die Überprü-
fung von qualitätssichernden Maßnahmen
im Ausbildungsbereich der an FHs ange-
siedelten Gesundheitsberufe ist die AQ
(Agentur für Qualitätssicherung und Akkre-
ditierung Austria).
Darüber hinaus existiert in jeder Fach-
hochschule eine interne Abteilung, die sich
eingehend mit den Fragen des Qualitäts-
managements auseinandersetzt.
Evidenzbasierte Ausbildung
in der Physiotherapie
Die gegenüberstehende Abbildung auf
Seite 9 zeigt die steigende Bedeutung von
evidenzbasiertem Wissen im Bereich der
Physiotherapie. In der Abbildung sind die re-
levanten randomisierten, kontrollierten Stu-
dien (RCT) zu sehen, die in den letzten
Jahren veröffentlicht wurden.
Definition von Evidenzbasierter
Physiotherapie (EBP)
EBP ist der gewissenhafte, ausdrückliche
und vernünftige Gebrauch der gegenwärtig
besten externen, wissenschaftlichen Evidenz
für Entscheidungen in der therapeutischen
Versorgung individueller PatientInnen.
Die Praxis der evidenzbasierten Physiothera-
pie bedeutet die Integration individueller
klinischer Expertise mit der bestmöglichen
externen Evidenz aus systematischer
Forschung (Definition in: Sackett 1997).
Externe Evidenz beinhaltet das Wissen
vor allem aus:
°
Systematischen Reviews von
randomisierten, kontrollierten Studien
°
Individuelle randomisierte,
kontrollierte Studien
°
Systematischen Reviews von
Kohortenstudien
°
Individuelle Kohortenstudien
°
Einzelfallstudien
°
Expertenmeinungen
Das Ziel der Grundausbildung von Physio-
therapeutInnen besteht darin, den Studen-
tInnen die Denk- und Handlungsweise der
evidenzbasierten Physiotherapie näher-
zubringen und in die praktische Arbeitsweise
zu integrieren. Es gibt mittlerweile viele rele-
vante Stellen, die uns mit Informationen zum
Thema Evidenz versorgen, wie zum Beispiel:
Centre for Evidence Based Physiotherapy,
Niederlande
Dieses elektronische Zentrum hat sich zum
Ziel gesetzt, die verfügbare wissenschaftli-
che Evidenz zu suchen, zu sammeln und
zu verteilen (für PhysiotherapeutInnen, Be-
schäftigte im Gesundheitswesen, PatientIn-
nen und Sozialversicherungen).
Pedro: Physiotherapy Evidence Database,
Australien
Dies ist eine spezifische australische Daten-
bank für PhysiotherapeutInnen. Eine Zielset-
zung dieser Datenbank ist der schnelle
Zugriff auf bibliografische Details und auf
Abstracts von randomisierten, kontrollierten
Studien, systematischen Reviews und evi-
denzbasierten, klinischen Guidelines.
/
Cochrane
Cochrane ist eine Datenbank
für Gesundheitsberufe
ABBILDUNG 3
Der physiotherapeutische
Prozess (FHGOÖ 2010)
WISSEN, ERFAHRUNGEN, EMOTIONEN, ERWARTUNGEN
DES PATIENTEN/DER PATIENTIN
PatientIn & TherapeutIn
Problemidentifikation
Problembeurteilung
Problemlösung
WISSEN, HANDLUNGS-TRANSFERKOMPETENZ,
PRAKTISCHE FERTIGKEITEN, SOZIAL-
SELBSTKOMPETENZ DES THERAPEUTEN/
DER THERAPEUTIN
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physio
austria
inform
Februar 2013
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