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physio
austria
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Februar 2013
Einen wichtigen Beitrag zur Ausbildungs-
entwicklung, als wesentlicher Baustein der
Berufsentwicklung, hat in den letzten zehn
Jahren der Bologna-Prozess geleistet. Er hat
die Entwicklung eines Europäischen Hoch-
schulraums gefördert und zu relevanten
Änderungen in der Struktur der Bildungs-
systeme einer Vielzahl an Ländern geführt,
welche sich nun zu stabilisieren beginnen.
Schweiz
In der Schweiz findet die Ausbildung seit
Herbst 2006 an Fachhochschulen statt,
wobei es vier Standorte für Fachhochschulen
Gesundheit gibt. Diese finden sich in
Zürich/Winterthur, Bern, in der Romandie
und im Tessin. Die Grundausbildung schließt
mit dem akademischen Grad Bachelor of
Science (BSc) ab, die Berufsbezeichnung
lautet Physiotherapeutin beziehungsweise
Physiotherapeut. Weiterführende Studien-
angebote auf Masterlevel wurden bereits
eingerichtet.
Deutschland
Etwas komplexer stellt sich die Ausbildungs-
situation in Deutschland dar, wo es aktuell
noch mehrere Möglichkeiten gibt, den Beruf
der/des PhysiotherapeutIn zu erlernen.
Wobei auch hier das Ziel der Harmonisierung
verfolgt wird. Bisher hat der Gesetzgeber nur
über das Berufsgesetz (Masseur- und Phy-
siotherapeutengesetz-MPhG) und die Aus-
bildungs- und Prüfungsverordnung einen
groben bundeseinheitlichen Rahmen, unter
anderem betreffend den Umfang der Ausbil-
dung, für die bundesweit über 270 (!) Physio-
therapie-Schulen abgesteckt. So bildet
allgemein eine staatliche Prüfung mit schrift-
lichem, mündlichem und praktischem Teil
den Abschluss der Ausbildung. Ergänzend
zum MPhG gibt es noch landesspezifische
Ausbildungsrichtlinien.
Seit 2001 schließen sich vermehrt Schulen
für Physiotherapie mit Hochschulen zusam-
men, um den AbsolventInnen die Erlangung
eines Bachelorgrads über ein weiterführen-
des Studium zu ermöglichen. Dies passiert
aufbauend auf der an einer Schule für Phy-
siotherapie absolvierten Ausbildung oder
über ein parallel zur Grundausbildung be-
suchtes Bachelorprogramm. Die Dauer der
Programme variiert daher zwischen sechs
und neun Semestern.
2009 wurde eine Modellklausel in die Be-
rufsgesetze der Hebammen, LogopädInnen,
ErgotherapeutInnen und PhysiotherapeutIn-
nen eingeführt, mit dem Ziel, für die genann-
ten Berufsgruppen primärqualifizierende
Studiengänge zu erproben. Damit wurde die
Möglichkeit für Fachhochschulen geschaf-
fen, die Grundausbildung im Rahmen von
3,5-jährigen Bachelorstudiengängen anzu-
bieten. Dieser Entwicklung steht eine Rege-
lung im MPhG gegenüber, die es Personen
ermöglicht, auf Grundlage der Ausbildung
zum Masseur und medizinischen Bademeis-
ter lt. MPhG im Rahmen einer 18-monatigen
Ausbildung die Berufsberechtigung zur/zum
PhysiotherapeutIn zu erlangen.
Mindestvoraussetzung – neben weiteren
Kriterien der Eignung – für die Aufnahme an
Schulen sind zehn Jahre Schulausbildung
(Realschule). Voraussetzung für die Auf-
nahme zum Studium sind zwölf Jahre
Schulausbildung und das Abitur.
Die Berufsbezeichnung für alle berufsberech-
tigten Personen – unabhängig von der Art
der absolvierten Ausbildung (Schule, Stu-
dium, Aufschulung) – lautet Physiotherapeu-
tin beziehungsweise Physiotherapeut. Diese
an die staatliche Abschlussprüfung nach
sechs Semestern gebunden (auch wenn der
Studiengang 6 oder 7 Semester dauert).
Auch in Deutschland wurden bereits berufs-
spezifische Masterstudiengänge eingerich-
tet. Der Erwerb eines Doktorats kann, wie
in Österreich, über verwandte Fachbereiche
erfolgen.
Großbritannien
Großbritannien ist ein Vorreiter in Sachen
Berufsentwicklung und in diesem Zusam-
menhang auch der Ausbildung und Auto-
nomie. Die Ausbildung zur/zum Physiothera-
peutIn ist in Großbritannien schon seit
Langem auf universitärer Ebene angesiedelt.
In England, Wales und Nordirland dauert das
Bachelorstudium drei Jahre, in Schottland
vier Jahre. Weiters wird die Möglichkeit
geboten, aufbauend auf einem erfolgreich
absolvierten Bachelorstudium einer anderen
Fachrichtung, ein zweijähriges Master-
studium der Physiotherapie zu absolvieren.
Der Weg zum fachspezifischen Doktorat ist
bereits etabliert. Neben der bereits lange
bestehenden Verankerung der Ausbildung im
Hochschulsystem ist die Möglichkeit des
direkten Zugangs zur Physiotherapie bezie-
hungsweise der »Selbstzuweisung« durch die
PatientInnen – das Self Referral – ebenfalls
seit Jahren umgesetzt. 2012 hat die CSP
(Chartered Society of Physiotherapy) über
eine besondere Errungenschaft der briti-
schen PhysiotherapeutInnen berichtet:
PhysiotherapeutInnen werden zukünftig
befugt sein, ihren PatientInnen Medikamente
zu verschreiben.
Die Darstellungen zeigen, dass die Entwick-
lungen denselben Zielen folgen und die inter-
nationale Vergleichbarkeit mehr und mehr
Realität wird. Ein wichtiger Schritt der Har-
monisierung ist ebenfalls bereits erfolgt, die
der einheitlichen Berufsbezeichnung, die
sich in allen hier genannten Ländern gleicht:
die Physiotherapeutin/der Physiotherapeut.
Quellen und weiterführende Informationen
ER-WCPT: Inventory on Physiotherapy Entry
Level of Education within the ER-WCPT, 2012
Der Beruf der Physiotherapie entwickelt sich ständig weiter.
Im Folgenden soll ein Einblick in den aktuellen Stand der Ausbildung
und Berufsausübung im benachbarten deutschsprachigen Ausland
sowie Großbritannien – als ein Vorreiter der Physiotherapie in
Europa – gegeben werden.
Über die Grenze geschaut
Themenschwerpunkt
Berufs- und Bildungsentwicklungen
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