inform Nr.4 September 2014 - page 17

DIAETOLOGIE
Prof.in Andrea Hofbauer, MSc, MBA
Die Ernährung ist ein fixer Bestandteil unseres Lebens und begleitet
uns vom ersten Schrei bis in die letzte Phase unseres Lebens. Essen
und Trinken ist eine Alltagshandlung, schließlich und endlich tun wir es
alle und daraus resultierend fühlen sich viele als ErnährungsexpertIn-
nen berufen. Ernährungsratschläge werden oftmals untereinander aus-
getauscht und so manches Tischgespräch oder das Gespräch unter
Bekannten und FreundInnen dreht sich darum. Aber auch im therapeu-
tischen Kontext wie im Rahmen einer physiotherapeutischen Behand-
lung wird vielleicht das eine oder andere Ernährungsproblem eines
Patienten/ einer Patientin entdeckt, thematisiert und dann ...?
Das wäre eine der Schnittstellen, wo eine Interaktion und die Interdis-
ziplinarität zwischen Diaetologie und Physiotherapie beginnen kann.
Die Zusammenarbeit zwischen PhysiotherapeutInnen und DiaetologIn-
nen wird in der Praxis schon gelebt, aber noch immer viel zu wenig.
Das mag mitunter darin begründet sein, dass wir in Wirklichkeit viel zu
wenig voneinander wissen, insbesondere über unsere Berufe und un-
sere Kompetenzen. Dieser Artikel soll dazu beitragen, das Berufsprofil
von DiaetologInnen vorzustellen und somit die Zusammenarbeit zwi-
schen den beiden Berufsgruppen zu forcieren.
Tätigkeitsprofil
DiaetologInnen gehören wie PhysiotherapeutInnen zur Gruppe der ge-
hobenen medizinisch-technischen Dienste und sind ein gesetzlich an-
erkannter Gesundheitsberuf (MTD-Gesetz) mit dem Auftrag, die
ärztlich verordnete Ernährungstherapie eigenständig durchzuführen.
Dies umfasst u.a. die Erstellung eines auf die individuellen Bedürfnisse
der PatientInnen abgestimmten Therapieplanes sowie die Beratung
und Schulung der PatientInnen und deren Angehörigen. Sämtliche
Erkrankungsbilder mit ernährungsrelevanten Problemstellungen wer-
den von DiätologInnen behandelt. Darunter fallen Personen mit
Stoffwechselerkrankungen, onkologischen Erkrankungen, Nahrungs-
mittelunverträglichkeiten und Allergien ebenso, wie Erkrankungen des
Gastrointestinaltrakts, der Lunge (COPD), der Nieren / Urogenaltrak-
tes, u.v.m. Sämtliche Zielgruppen vom Säugling bis zum alten Men-
schen werden von DiätologInnen beraten bzw. therapiert. Aber auch
die ernährungstherapeutische Nachbetreuung von Operationen oder
im Rahmen von palliativmedizinischen Betreuungen sind DiaetologIn-
nen ein Teil des Teams.
Die Durchführung der Therapie erfolgt nach dem sogenannten »Diae-
tologischen Prozess«, dem methodischen Handeln der Berufsgruppe.
Der Diaetologische Prozess ist Teil der individuellen Gesamttherapie
und fordert eine längerfristige Führung und Betreuung der Patientin-
nen und Patienten (ÖBIG, 2010). Dieser Prozess legt das methodisch-
berufliche Handeln von Diaetologinnen und Diaetologen im Rahmen
der ernährungsmedizinischen Therapie fest. Dies umfasst die einzel-
nen Prozessschritte von der Ernährungsanamnese bis zur Dokumenta-
tion und Evaluierung (Hofbauer et al. 2011).
Wie grafisch dargestellt umfasst der diaetologische Prozess folgende
Schritte der ernährungsmedizinischen Therapie (Hofbauer et al. 2010):
Ernährungsanamnese, Erhebung des Ernährungsstatus, Diaetologische
Befundung und Beurteilung, Zieldefinition.
Im Rahmen des Anamneseprozesses ist die Erhebung der Ernährungs-
anamnese ein wichtiger Teil. Dabei werden Daten zu den Ernährungs-
gewohnheiten, Verzehrsmengen, Vorlieben und Abneigungen von
Speisen und Lebensmittel erhoben. Weiters kann ein detailliertes Er-
nährungsprotokoll zum Einsatz kommen, welches mehr Aufschluss
über die Ernährungsgewohnheiten der Patientin/des Patienten gibt.
Alle erhobenen Daten werden ausgewertet, analysiert und in-
terpretiert und bilden die Basis für die diaetologische Befun-
dung und in weiterer Folge die Planung der
ernährungsmedizinischen Therapie, welche kurz- mittel- und
langfristige Ziele verfolgt.
Planung, Umsetzung, Evaluierung und Dokumentation
der ernährungsmedizinischen Therapie
Die ernährungsmedizinische Therapie umfasst die Erstellung
und Umsetzung individueller Ernährungspläne unter Berück-
sichtigung der sozioökonomischen, familiären und beruflichen
Bedingungen der PatientInnen sowie die Beratung der Patien-
tInnen und/oder ihrer Angehörigen. Ernährungstherapien
müssen kontinuierlich evaluiert werden. Dabei werden u.a.
Veränderungen der Laborwerte, des Gewichtsverlaufs und
des Essverhaltens kontrolliert und mit der/dem PatientIn
besprochen. Angestrebte Ziele können mit den erreichten
verglichen und evtl. ein weiteres Fernziel als »Ausblick in die
Zukunft« formuliert werden. Im Abschlussgespräch werden
insbesondere Erfolg und Misserfolg diskutiert und dokumen-
tiert. Ziel des Abschlussgesprächs ist es, noch offene Fragen
zu klären, Ressourcen zu aktivieren und gegebenenfalls die
weiterführende Betreuung sicherzustellen. Die abschließenden
Arbeiten des Diaetologischen Prozesses dienen der lücken-
losen Dokumentation sowohl der Inhalte als auch der Ergeb-
nisse der ernährungsmedizinischen Therapie und Beratungen.
Veränderungen im Gesundheitswesen –
neue Formen der Zusammenarbeit
Die Veränderungen im Gesundheitssystem, wie kurze statio-
näre Aufenthaltsdauer, Streichung ambulanter Leistungen in
den Krankenanstalten, Verlagerung von medizinischen Leis-
tungen in den extramuralen Raum, sind für den Bereich der
ernährungsmedizinischen Versorgung von großer Bedeutung.
Eine Vielzahl von Erkrankungen ist ernährungsbedingt bzw. mit
erheblichen Problemen der Nahrungsaufnahme/-zufuhr ver-
bunden. Eine bessere Vernetzung von Gesundheitsberufen mit
DiaetologInnen im extramuralen Bereich ist für eine effiziente
PatientInnenversorgung und ein modernes Gesundheitsmana-
gement unerlässlich.
DiaetologInnen betreuen Patienten/Klienten in Form von
Gruppenschulungen und auch Einzelberatungen /-therapien.
Sie arbeiten in multidisziplinären Teams, arbeiten mir Hospiz-
und Palliativteams zusammen und übernehmen ebenso ernäh-
rungsrelevante Aufgaben im Rahmen der Hauskrankenpflege
(z.B. Verhinderung/Therapie von Mangelernährung, Wund-
heilungsstörungen, Schluckstörungen). Aber auch in der Ge-
sundheitsförderung und Prävention haben DiaetologInnen ein
großes Betätigungsfeld.
Zusammenfassung und Ausblick
So banal das Thema Ernährung manchmal erscheint, so kom-
plex ist es und braucht dementsprechende Professionalität.
Der zu den MTD zählende Beruf der Diaetologen verfügt über
diese Kompetenzen. Im Sinne einer qualitätsvollen Patienten-
behandlung nimmt die interdisziplinäre Zusammenarbeit von
Gesundheitsberufen eine immer größer werdende Rolle ein.
Ernährung braucht Kompetenz
Der Beruf DiaetologInnen stellt sich vor
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