inform Nr.4 September 2014 - page 15

ZAHLENVERSTÄNDNIS
Nicole Jakob, BA, MA
Ergebnisse
1902 PhysiotherapeutInnen wurden insgesamt zur
Befragung eingeladen, 342 konnten schließlich in die
Nettostichprobe aufgenommen werden (17,98 % Rück-
laufquote). 32,46 % (n=111) erreichten den Spitzenwert
von vier Punkten und verfügen über sehr gutes Zahlen-
verständnis. 18,13 % (n=62) erzielten mit drei Punkten
gutes Zahlenverständnis. 26,61 % (n=91) mit lediglich
zwei Punkten und 22,80 % (n=78) mit nur einem Punkt
weisen hingegen eher mangelhaftes und mangelhaftes
Zahlenverständnis auf. Innerhalb der Stichprobe erzielten
männliche Teilnehmer bessere Ergebnisse als weibliche
Probandinnen und jüngere PhysiotherapeutInnen bessere
Resultate als ältere KollegInnen. Im Vergleich mit ande-
ren Gesundheitsberufsgruppen existierten hinsichtlich
der Resultate kaum Unterschiede. Da eine relativ hohe
Anzahl von Personen den Fragebogen vorzeitig abgebro-
chen hat, kann aber von einer positiven Stichprobe und
einer Verschlechterung der Ergebnisse bei Vollerhebung
ausgegangen werden.
Diskussion und Schlussfolgerungen
Zusammenfassend zeigen österreichische Physiothera-
peutInnen durchschnittliches Zahlenverständnis und
durchschnittliche Risikokompetenz auf. Trotz dieser Tat-
sache und der gegebenen Übereinstimmung mit anderen
Gesundheitsberufsgruppen, muss auf die Anzahl von
PhysiotherapeutInnen mit niedrigen Werten hingewiesen
werden. 49,41 % der Befragten sind der unteren Hälfte
der Punktewerte laut Auswertungsschema des BNT und
damit eher mangelhaftem Zahlenverständnis zuzuordnen.
Ungenügende Zahlenfähigkeiten stellen aus Public
Health-Sicht eine Problematik dar, beeinflussen Berufs-
alltag der GesundheitsprofessionistInnen und können
negative Folgen für PatientInnen und Gesundheitswesen mit
sich bringen. Zahlenverständnis und Zahlenblindheit sind
unterbeforschte und weitgehend unbekannte Themenge-
biete in Medizin und im Gesundheitswesen. Diese Master-
arbeit beschäftigte sich erstmalig mit Zahlenkompetenzen
bei österreichischen Health Professionals und stellt die bis
dato erste Erhebung dar, die sich mit der Berufsgruppe der
PhysiotherapeutInnen beschäftigt. Zahlenverständnis und
die Weitergabe numerischer Informationen an PatientInnen
sollten sowohl in die Basisausbildung von Physiotherapeu-
tInnen integriert als auch Gegenstand von Fort- und
Weiterbildungen werden. Dies wäre, ausgehend von den
Ergebnissen der Masterarbeit und nach Ansicht von zahl-
reichen ExpertInnen des Themengebiets, der vielverspre-
chendste Ansatz, um Zahlenblindheit im Gesundheitswesen
entgegenzuwirken (Hertwig et al. 2011). Das erworbene
Wissen würde die Entscheidungsfindung im beruflichen
Alltag erleichtern und PhysiotherapeutInnen dabei unter-
stützen, ihre PatientInnen kompetent und umfassend zu
beraten. Thematisierung der Problematik und das Schaffen
eines Bildungsangebotes zum Thema Zahlenverständnis
könnten erste bedeutende Schritte zur Weiterentwicklung
des österreichischen Gesundheitswesens in Richtung eines
zahlenkompetenten Systems darstellen.
Beispielfrage des Berlin Numeracy Test
Von 1000 Leuten in einer Kleinstadt sind 500 Mitglied im
Gesangsverein. Von diesen 500 Mitgliedern im Gesangs-
verein sind 100 Männer. Von den 500 Einwohnern, die nicht
im Gesangsverein sind, sind 300 Männer. Wie groß ist die
Wahrscheinlichkeit, dass ein zufällig ausgewählter Mann ein
Mitglied des Gesangsvereins ist?
Die Wahrscheinlichkeit beträgt ___ %
AUFLÖSUNG:
© Michael Tieck - Fotolia.com
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physio
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