inform Nr.4 September 2014 - page 12

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physio
austria
inform
September 2014
Themenschwerpunkt
Berufsbild Physiotherapie
zum Thema werden. Lohnt es sich so viel Geld in
meine Gesundheit zu investieren? Bringen die
physiotherapeutischen Interventionen überhaupt den
gewünschten Erfolg? Objektiv erhobene Assessment-
daten können durchaus ein hilfreiches Argument
sein, auch um der Aussage »Ich zahle so viel und es
nützt so wenig/nichts.« etwas entgegenstellen zu
können. Diese Fälle mögen selten sein, aber sie
kommen vor. Finden sich in der Dokumentation
jedoch die entsprechenden Daten, können die
Argumente entkräftet werden. In diesen Fällen wer-
den TherapeutInnen zum Nutznießer des Assess-
ments und damit quasi zum »Kunden«.
Regelmäßig durchgeführtes Assessment als ein Teil
der Evaluation der Wirksamkeit der durchgeführten
Therapiemaßnahmen sollte in der heutigen Zeit
selbstverständlich im Sinne der Qualitätssicherung
sein. Als Physiotherapeutin einer Generation, die
noch nicht eigenverantwortlich tätig sein durfte,
weiß ich die Freiheit, die dadurch gewonnen werden
konnte, sehr zu schätzen. Daher ist es mir auch ein
besondere Anliegen, dass nicht nur die Wirksamkeit
der Physiotherapie im Allgemeinen in Bezug auf die
unterschiedlichsten Problem- und Fragestellungen
hin untersucht und nachgewiesen wird, sondern dass
dies auch für die Behandlung jedes einzelnen Patien-
ten/jeder einzelnen Patientin gelten sollte. Um dies
in einem praktikablen Rahmen zu halten, ist der
Erwerb von Wissen (welche Assessmentinstrumente
gibt es für diesen Fachbereich/diese Problematik?
Was wird mit diesem Instrument überhaupt gemes-
sen?), Fähigkeiten (Auswahl des geeigneten Instru-
mentes) und Fertigkeit (wie führe ich z.B. den Test
konkret durch?) unerlässlich. Der Nutzen für die
PhysiotherapeutInnen liegt klar auf der Hand, da
ohne Daten, die zum Vergleich herangezogen werden
können, der physiotherapeutische Prozess eigentlich
nicht stattfinden kann. Wir können zwar behandeln
und sind unter Umständen auch erfolgreich, weil wir
Glück oder viel Erfahrung haben, aber eigentlich tre-
ten wir auf der Stelle. Es fehlen uns die Daten, die
Rückschlüsse zulassen und zur Weiterentwicklung
des eigenen therapeutischen Handelns und auch der
Physiotherapie verhelfen. Dazu müssen wir uns nicht
zwingend komplexer Fragebögen oder aufwändiger Test-
batterien bedienen. Der Einsatz von VAS (visuell analoge
Skalen) oder NRS (numerische Rating-Skala), die in den
unterschiedlichsten Fachbereichen und auch bei einigen
Symptomen (z.B. Schmerz, Atemnot,…) angewendet
werden können, oder auch einfache Test wie ein TUG
(timed up and go) für die Gehfähigkeit, sind hilfreich
und aussagekräftig zugleich.
Was für Messinstrumente gibt es?
Die Anzahl der Messinstrumente ist groß und es gibt auch
keine einheitliche Einteilung in Kategorien. McDowell be-
schäftigt sich in seinem Buch »Measuring Health. A Guide
to Rating Scales and Questionnaires« ausführlich mit dem
Thema. Eine mögliche Einteilung wurde von Oesch et al.
getroffen, die zwischen »Funktioneller Leistung«, »Selbstbe-
urteilung«, »Fremdbeurteilung« oder »passiver Test«
unterscheiden. Diese Einteilung wird auch in der Reihe »As-
sessment in der Rehabilitation«“ verwendet. Unabhängig
davon, welches dieser Instrumente verwendet wird,
ist bei korrekter Anwendung einerseits die Problemidentifi-
zierung, Planung und Evaluierung der Therapie schlüssig,
nachvollziehbar und das Ergebnis messbar und anderer-
seits verfügen die PhysiotherapeutInnen damit über eine
»einheitliche Sprache«, die beim TherapeutInnen-Wechsel
von großem Nutzen ist.
Viele Argumente sprechen dafür, Assessment und die
entsprechenden Messinstrument in der Aus-, Fort- und
Weiterbildung vorzustellen und die richtige Anwendung zu
lehren und durchaus auch die Sinnhaftigkeit und Qualität
der einzelnen Instrumente zu diskutieren. KollegInnen,
deren Ausbildung schon etwas länger zurückliegt, können
von der »gemeinsamen Sprache«, die damit erworben wird,
genauso profitieren wie unsere Studierenden an den Fach-
hochschulen. Einerseits werden dann viele Studien ver-
ständlicher und die Auseinandersetzung damit macht
vielleicht mehr Spaß und auch Sinn, wenn man weiß, wie
das Ergebnis zustande gekommen ist und andererseits wird
das Durchlaufen des physiotherapeutischen Prozesses ge-
meinsam mit dem Patienten/der Patientin effizienter.
Was ersetzt das Assessment nicht?
QUELLEN
Assessments in der
Rehabilitation
Band 1-3, 2006,
2007, 2009, Verlag
Hans Huber Bern
Pschyrembel
klinisches Wörterbuch,
260. Auflage
Skalen uns Scores
in der Neurologie,
2. Überarbeitete
und aktualisierte
Auflage, 2000,
Thieme Verlag Stuttgart
New York
McDowell I.
Measuring Health.
A Guide to Rating
Scales and
Questionnaires.
3.ed. Oxford:
Oxford University;
2006
Wallesch C, Hasenbein
U. Assessment in
der neurologischen
Rehabilitation. Praxis
Klinische Verhaltens-
medizin und Rehabilita-
tion 2001; (56):270-4
© Coloures-pic - Fotolia.com
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