Oft unterschätzt, bagatellisiert und unbehandelt

Lymphödem

von Ingrid Prandstetter

In einem Erfahrungsbericht schildert eine Patientin, wie sie die Zeit nach der Diagnose Lymphödem wahrnahm.

Die Diagnose Melanom traf mich, so wie wohl jede und jeden nach einer Krebsdiagnose, wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Der Prozess, den ich vom Verdacht bis hin zur tatsächlichen Diagnose durchlief, war von allen möglichen Horrorszenarien begleitet. Eine Fülle an Fragen – beginnend bei jener nach den Chancen auf Heilung, bis hin zu der, wie all die noch zu erledigenden Dinge gemeistert werden sollen – erhöhten die Angst und verminderten meinen Schlaf. Der Geist war in Aufruhr, die Psyche angespannt! Als ich nach der Operation von der Entfernung der dem Operationsareal nahegelegenen Lymphknoten erfuhr, erahnte ich die Tragweite vorerst nicht. Ich war froh, die Operation hinter mich gebracht zu haben. Als erste Schwellungen auftraten, wurde mir eine Lymphdrainage empfohlen. Ihre Bandbreite ist groß: Ich probierte diverse Anwendungen aus – von der maschinellen Lymphdrainage, die durch die Verwendung von Luftkompressionsgeräten erfolgte, bis hin zur manuellen Lymphdrainage ohne Bandage. In meinem Fall brachte weder die eine noch die andere Methode für mehr als einige Stunden eine Besserung. Erst als ich begann, Tai Chi zu lernen, konnte ich das Ödem selbst reduzieren. In Zeiten besonderer Beanspruchung, wie bei Stress oder Hitze, brauchte es allerdings zusätzliche Unterstützung.

 

Die Zeit danach

Jahre nach der Operation empfahl mir meine Hausärztin einen REHA-Aufenthalt in einem Therapiezentrum. Erst dort lernte ich eine spezielle Lymphdrainage mit an die Behandlung anschließender Bandagierung kennen. Anschließend an die tägliche Behandlung ging ich zirka sechs Kilometer und schwamm nach Entfernung der Bandage einen Kilometer. In diesen drei Reha-Wochen verlor ich etwa einen Liter an Flüssigkeit im betroffenen Bein. Auch das zweite unbehandelte Bein wurde entstaut und verlor an die 250 ml Flüssigkeit.

Manches behielt ich nach diesem Aufenthalt bei, z. B. die Kompression und viel Bewegung. Ich war auf der Suche nach optimalen Mitteln zur Erhaltung meines Erfolges. Letztlich waren meine Motivation, mein Engagement und die Erkenntnis, durch die tägliche Bewegung – mit dem Rad eine längere Strecke zu fahren, zu schwimmen oder zu gehen – eine Besserung zu erzielen, ausschlaggebend dafür, dass ich die Langzeitverbesserung schaffte.

Ich fand eine Physiotherapeutin mit der passenden Zusatzausbildung in meiner Nähe. Sie schaffte es in sechs aufeinanderfolgenden Behandlungen, auch in besonderen Arealen – bei mir die zweite Zehe –, das Ödem zu reduzieren.

Ganz wesentlich und hilfreich bei bedrohlichen Diagnosen erscheint mir im Nachhinein, neuen Mut zu fassen, zuversichtlich zu sein, Ziele zu suchen und an deren Realisierung zu arbeiten.

AutorIn

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Ingrid Prandstetter

Physiotherapie-Patientin

Aus der Ausgabe

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2021|09

Bewegt-Magazin September 2021

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