Wie eine erlebnisorientierte Sportart die Gesundheit fördert

Klettern: Zwischen Trend und Therapie

von Andrea Maruna

Klettern hat sich in den letzten zwanzig Jahren als Trendsport etabliert. Jedes Jahr wächst die Zahl jener Personen, die diese Sportart ausüben. Dabei zieht Klettern sowohl Kinder als auch Erwachsene, Frauen wie auch Männer in seinen Bann. Was steckt hinter dieser Faszination und warum wirkt sich Klettern positiv auf unsere Gesundheit aus?

Die Beliebtheit dieser Sportart basiert auf einem Setting, das soziale Interaktionen begünstigt und individuelle Erlebnisse ermöglicht. Klettern fördert die Entwicklung von Kraft, Flexibilität und Ausdauer und spielt sich meist im sicheren Rahmen – der Kletterhalle – ab. Es steckt jedoch noch viel mehr dahinter: Klettern ist eine Bewegungsform, die mit ihrer komplexen, den gesamten Bewegungsapparat ansprechenden Anforderungen eine ideale Kräftigung der Muskulatur bietet. Dabei werden im Gegensatz zum Training im Fitnessstudio nicht nur einzelne Muskelgruppen trainiert, sondern immer Muskelketten, wodurch ein funktionelles Kräftigen im Sinne einer optimalen Zusammenarbeit einzelner Muskeln und Muskelgruppen erfolgt. Beim Klettern findet zusätzlich ein ständiges Ausführen neuer Bewegungen statt, da ja kein Kletterzug mit dem letzten identisch ist. Dies stärkt in hohem Maß die koordinativen Fähigkeiten, insbesondere die Orientierungs- und Gleichgewichtsfähigkeit. Gerade der Abwechslungsreichtum des Klettersports stellt für Kinder einen enormen Bewegungsanreiz dar. Außerdem entspricht das Klettern dem elementaren motorischen Basismuster des Krabbelns und fördert somit das Training von Stützaktivität. Die Erfahrung der Selbstwirksamkeit bildet einen zentraleen psychologischen Aspekt. Die Erfahrung, sich selbst an der Wand halten zu können, gibt Kletternden ein gesteigertes Selbstwertgefühl, welches zu neuen Bewegungsabenteuern und zur Verschiebung von individuellen Grenzen motiviert.

 

Klettern in der Therapie

In den letzten Jahren hat das Klettern auch Einzug in die Physiotherapie gehalten. Dabei verbinden die Therapeutinnen und Therapeuten alle bereits erwähnten Vorteile des Kletterns mit ihrer Expertise, sodass unter kompetenter Anleitung individuelle Bewegungssequenzen an der Kletterwand erarbeitet werden, welche den Patienten und Patientinnen zu mehr Kraft, Mobilität, Koordination und Selbstvertrauen sowie zu Angstbewältigung verhelfen.

Durch die dem Klettern inhärenten Bewegungsmuster wird neben der Schulter und Armmuskulatur speziell der Rumpfbereich trainiert. Therapiekletterwände weisen eine niedrigere Höhe auf, damit jederzeit ein gefahrloses Hinuntergestiegen möglich ist. So können auch neurologische Patienten – beispielsweise mit Multipler Sklerose, Parkinson oder nach einem Schlaganfall – klettertherapeutisch unterstützt werden. Für sie liegt die Stärke dieser Therapieform in einer positiven Beeinflussung der persönlichen Willenskraft, der psychischen Ausdauer und der Verbesserung der Ganzkörperkoordination.

Außerdem ermöglicht eine spezielle Griffanordnung die Anpassung an jede individuelle Bewegungsvoraussetzungen. So profitieren auch Patientinnen und Patienten mit Bewegungseinschränkungen nach orthopädischen/traumatologischen Operationen oder Verletzungen vom Therapieklettern. Die erlebnisorientierte und motivierende Faszination des Klettersports fördert auch im therapeutischen Setting die wichtige Compliance – also Mitarbeit – der Patientinnen und Patienten.

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Mag. Andrea Maruna

freiberufliche Physiotherapeutin und Sportwissenschaftlerin mit Schwerpunkt Traumatologie/Orthopädie

Aus der Ausgabe

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2021|09

Bewegt-Magazin September 2021

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