Physiotherapie post partum- die Schwerpunkte in der Therapiegestaltung

Zurück in den bewegten Alltag nach der Geburt

von Franziska Malle und Franziska Severino-Schönburg

Ob Gruppenkurs oder im Einzelsetting — als Physiotherapeut*innen begleiten wir zurück in den bewegten Alltag mit Kind. Die Gestaltung der Therapie ist individuell.


Primär wird zwischen einer vaginalen Geburt und einer Sectio (Kaiserschnitt) unterschieden. Dennoch gibt es Fälle bei denen die Öffnung des Muttermunds weiter fortgeschritten ist — die Geburt aber in einem Kaiserschnitt endet. In diesem Fall gibt es vermehrten physiotherapeutischen Handlungsbedarf, da der Beckenboden überdehnt und zusätzlich durch die Operation die Bauchwand durchtrennt wurde. In diesem Fall stehen Narbentechniken an der Sectionarbe wie auch vaginalen Verletzungen sowie Beckenbodentraining im Vordergrund. Weiters können viszeraleTechniken die Rehabilitation positiv beeinflussen. Durch die Vergrößerung der Gebärmutter werden Organe verdrängt. Zusätzlich kann es auch zu Senkungsbeschwerden kommen. Um den Grad der Beeinträchtigung messbar zu machen, können auch vaginale Techniken eingesetzt werden. Besonders das Zwerchfell bedarf oft großer Aufmerksamkeit. Durch seine Lage, Größe und Verbindungen zur Wirbelsäule spielt es neben Bauch- und Beckenbodenmuskulatur eine weitere wichtige Rolle.

Oft zeigt sich nach der Geburt eine paradoxe Atmung. Hier kann mit Wahrnehmungs- und Haltungsschulung gearbeitet werden. Durch die Verlagerung des Körperschwerpunktes ist es notwendig auch hier Unterstützung zu bieten. In engem Zusammenhang steht auch die inadäquate Druckabsorption der Bauchhöhle. Diese resultiert besonders aus dem Auseinanderweichen und der Verlängerung des Rectus Abdominis. Die tiefen Rumpfstabilisatoren müssen ihr Zusammenspiel mit dem Beckenboden und der Atmung wieder erlernen. Dies ist notwendig um auch der Herausforderung in der individuellen Sportart wieder Stand halten zu können.

Auch die veränderte Körperhaltung durch die Schwangerschaft kann in Kombination mit einer möglichen Fehlhaltung bei Still- und Tragepositionen zu Wirbelsäulen-Einschränkungen und Gelenksdysfunktionen im Beckenbereich führen. Daraus resultieren Funktionsstörungen des Zwerchfells und des Beckenbodens sowie eine schlechte intraabdominelle Druckabsorption. Abhilfe schafft hier meist manuelle Therapie des Stütz- und Bewegungsapparates.

 

Wann ist der Körper wieder belastbar für Sport?

Wie jede Frau ist auch der Weg „zurück“ ein individueller. In den ersten Wochen sollte die Rückbildung der Gebärmutter mittels Bauchlage unterstützt werden. Über die Bauchatmung erlangt das Zwerchfell wieder mehr Reichweite nach unten. Dadurch wird auch der Beckenboden sanft beansprucht und der lokale Stoffwechsel unterstützt. Bis zur sechsten Woche werden stabilisierende Übungen der Rumpfkapsel im Liegen und dem Vierfüßler durchgeführt. Gibt die/der Gynäkolog*in grünes Licht, werden die Übungen intensiviert. Die Belastungssteigerung erfolgt langsam, da die Organverankerungen noch nicht stabil genug sind.

Diverse Testbatterien können den Grad des Fortschrittes gut abbilden und ein hervorragendes Tool zur Therapieplanung darstellen. Diese sollten sportartspezifisch sein. Start dieser „Sekundären Phase“ ist etwa 12 bis 16 Wochen postpartum.

AutorIn

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Franziska Malle

Physiotherapeutin mit dem Schwerpunkt Gynäkologie

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Franziska Severino-Schönburg

Physiotherapeutin mit dem Schwerpunkt Gynäkologie

Aus der Ausgabe

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2022|06

Bewegt-Magazin Juni 2022

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