Auf dem Weg von der Kinder- in die Erwachsenenmedizin

Transition: Heraus­fordernder Übergang

von Dr. Caroline Culen

Mit der – dank der medizinischen Fortschritte steigenden – Lebenserwartung chronisch kranker Kinder und Jugendlicher steigen auch die Anforderungen an das Gesundheitssystem: Der Übergang von der medizinischen Kinderversorgung in die Erwachsenenmedizin stellt nach wie vor eine 
große Herausforderung dar.

Dass wir uns mit dem Thema Transition überhaupt beschäftigen, ist das Resultat einer Erfolgsgeschichte. Die Fortschritte der Medizin in den letzten Jahrzehnten bedeuten für viele Kinder und Jugendliche mit chronischer und seltener Erkrankung ein Überleben bis ins Erwachsenenalter. Job, Liebesbeziehungen oder die Welt entdecken, das alles bleibt nicht nur ein Traum, sondern kann Realität werden. In den allermeisten Fällen besteht aber auch der Bedarf nach lebenslanger medizinischer Betreuung. In der erwachsenenorientierten Versorgung wird von den jungen Erwachsenen plötzlich erwartet, dass sie ihre Krankheit selbst managen. Oft fehlt nach der fürsorglichen Betreuung durch das Team einer Kinderklinik eine neue Vertrauensperson. Inzwischen ist aus Studien bekannt, dass eine verbesserte Transition eine gute Anbindung an die medizinische Erwachsenenversorgung, verstärkte Compliance und erhöhte Therapieadhärenz sowie verbindlicheres Einhalten von Kontrollterminen bewirken.

 

Lost in Transition

In Österreich haben 15 bis 20 Prozent der Jugendlichen in der Altersgruppe der 14- bis 20-Jährigen aufgrund einer chronischen Erkrankung einen verstärkten Bedarf an Gesundheitsversorgung und medizinischer Betreuung. In der Gruppe der 18-Jährigen sind das in Österreich immerhin ca. 170.000 Jugendliche. Dazu gehören beispielsweise junge Menschen mit Diabetes Typ 1, Rheuma, Cystischer Fibrose, asthmatischen Allergien, Krebserkrankungen, Epilepsie, seltenen Stoffwechselerkrankungen, neuromuskulären Erkrankungen oder psychiatrischen Erkrankungen. Für all diese jungen Menschen kann eine fehlende oder schlecht vorbereitete Transition schwerwiegende Folgen haben. Studien zeigen, dass sich der Krankheitsverlauf beim Wechsel von der kinder- und jugendärztlichen Betreuung in die Erwachsenenversorgung oft verschlechtert. Manchmal fallen Jugendliche und junge Erwachsene dann ganz aus der medizinischen Betreuung. „Lost in transition“ wird dieses Phänomen international genannt. Je nach Erkrankung kann diese Rate bei 30 bis 90 Prozent der betroffenen jungen Menschen liegen. Dieses Phänomen ist mit einem erhöhten Risiko für gesundheitsgefährdende Zustände und einer verringerten Lebensqualität der Betroffenen verbunden. Dazu kommen erhöhte Kosten für das Gesundheitssystem durch medizinische Notfälle oder Folgeschäden.

 

Fehlende Strukturen erschweren nachhaltigen Übergang

Als besondere Herausforderung nennen Patientinnen und Patienten vor allem den Abbruch langjähriger Beziehung mit betreuenden Kinderärzten oder -ärztinnen. Darüber hinaus gibt es in der Erwachsenenmedizin für manche Erkrankungen, die früher nur im Kindesalter auftraten, wenig Fachwissen. Die vorhandene Expertise ist nicht mehr unter einem Dach. Hinzu kommt, dass die Autonomie der Jugendlichen noch nicht ausgereift ist. Junge Menschen brauchen für diese Entwicklung Zeit – und die ist selten mit dem „Stichtag“ 18. Geburtstag abgeschlossen. Neben den Hürden, die Patienten und Patientinnen ganz persönlich erleben, liegen die wesentlichen Hürden in den Strukturen des Gesundheitssystems: wenig Zeit für eine individuelle Begleitung der Patientinnen und Patienten und keine Finanzierung durch das Gesundheitssystem führen zu begrüßenswerten engagierten Einzelinitiativen. Garantie auf bestmögliche nachhaltige Versorgung gibt es für Jugendliche jedoch keine.

www.kinderjugendgesundheit.at

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Dr. Caroline Culen

Geschäftsführerin der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit

Aus der Ausgabe

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2020|03

Bewegt-Magazin März 2020

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