So kann Physiotherapie helfen

Neurologische Erkrankungen

von Agnes Wilhelm

Wenn Sie oder ein Angehöriger unter sensomotorischen Störungen leiden, kann Physiotherapie in allen Phasen der Rehabilitation mit anerkannten Behandlungsstrategie helfen.

Es gibt Krankheitsbilder, bei denen es zu Störungen des Nervensystems kommt. Ein Schlaganfall, ein Schädel-Hirn-Trauma, neurodegenerative Erkrankungen wie das Idiopathische Parkinsonsyndrom, Multiple Sklerose oder seltene neuromuskuläre Erkrankungen können Ursachen für motorische, sensorische, perzeptive und kognitive Einschränkungen sein. Sie selbst oder einer Ihrer Angehörigen sind betroffen? Durch das gezielte Üben von Bewegungsabläufen unter qualifizierter Anleitung von Physiotherapeuten lernen Patienten und Patientinnen, ihre Ressourcen und die verfügbaren Hilfsmittel – wie z. B. Hand- und Fußorthesen, Gehhilfen oder Rollstühle – effizient zu nutzen. Die Therapieziele und Maßnahmen sind in der Akutphase im Krankenhaus, in stationären oder ambulanten Rehabilitationszentren und in der Behandlung zuhause unterschiedlich und werden individuell vereinbart. Ihre Selbstständigkeit und Ihre Lebensqualität stehen dabei immer im Vordergrund.

 

In guten Händen

Physiotherapeutinnen und -therapeuten arbeiten auf streng wissenschaftlicher Basis und lassen die Lebensverhältnisse und Aktivitäten ihrer Patientinnen und Patienten in die Behandlung einfließen. Bei der Behandlung von neurologischen Erkrankungen hat sich repetitives, aufgabenorientiertes Üben, das an die individuelle Leistungsgrenze geht, als besonders wirksam erwiesen. Was heißt das? Stellen Sie sich vor, eine neurologische Erkrankung zu haben und Ihre Arme nicht mehr so verwenden zu können, wie Sie möchten, oder Probleme beim Gehen zu haben. Physiotherapeuten unterstützen Ihr motorisches Lernen dann, indem sie Übungen so oft wie möglich mit Ihnen wiederholen und zielorientierte Aufgabenstellungen definieren. Zusätzlich setzen sie Ausdauer- und Krafttraining ein, um Ihre Muskeln zu stärken. Mehr Kraft hat z. B. auch einen positiven Einfluss auf Ihre Gehgeschwindigkeit. Wenn ihr Ziel sein sollte, längere Strecken gehen zu können, kann Ihr Ausdauertraining entweder drinnen, im Freien oder auf dem Laufband erfolgen. Bei Letzterem kann gezielt und strukturiert am Tempo gearbeitet werden. Warum es so wichtig ist, auch eine gewisse Gehgeschwindigkeit zu erreichen? Für eine sichere Gehfähigkeit außerhalb des Hauses ist laut Forschung eine Gehgeschwindigkeit von mindestens 40 Meter pro Minute, also 2,4 km/h notwendig. Um als Fußgänger mit Ampelphasen mithalten zu können, benötigen Sie sogar eine Geschwindigkeit von 4,32 km/h. Am Laufband können Fortschritte in diesem Bereich gut dokumentiert werden. Das würde auch bedeuten, dass Sie positives Feedback auf die eigenen Leistungen bekommen können, was wiederum wichtig für Ihr motorisches Lernen ist. Dasselbe trifft auch auf das Training des Gleichgewichts zu, welches ebenfalls im Alltagskontext stattfinden soll. Alle Arten des Trainings mit Physiotherapeuten und Physiotherapeutinnen werden absolut sicher durchgeführt und verstärken eine eventuell vorhandene Spastizität nachweislich nicht.

Die Therapie kann durch eigenständiges Üben und durch nichttherapeutische Bewegungsgruppen oder sportliche Aktivtäten ergänzt werden. Ihr Selbstmanagement und die Selbstwirksamkeit sind essenziell wichtig, um Ihre dauerhafte körperliche Aktivität zu fördern. Ziel ist es stets, Ihre Autonomie und Ihre Fähigkeit, selbstständig Probleme oder Barrieren zu identifizieren und Lösungsstrategien dafür zu entwickeln, zu steigern. Nur durch Ihre Selbstständigkeit bleibt Ihre Lebensqualität erhalten.

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Agnes Wilhelm, MSc

Lehrende Studiengang Physiotherapie IMC FH Krems, Mitglied des Kompetenzteams

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2020|12

Bewegt-Magazin Dezember 2020

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