Wie Physiotherapie den Frauen wieder Halt geben kann

Herausforderung Organsenkung in den Wechseljahren

Text: Michaela Zechner, BSc

Die Wechseljahre sind eine Zeit des Wandels. Die Bildung der Geschlechtshormone geht zurück, was zu einer starken Veränderung des Hormonhaushaltes führt. Der Körper steht durch unterschiedlichste Umstellungen vor vielen Herausforderungen.

Das Sinken des Östrogenspiegels, hat nicht nur einen Einfluss auf die Spannkraft der sichtbaren Haut, sondern auch das Bindegewebe innerhalb des Körpers verändert sich. Durch die Abnahme der Kollagen- und Elastinbildung wird das Gewebe lockerer und die Aufhängung der Organe, die Faszien und Bänder, geben nach. Durch diesen Verlust der passiven Stützschichten der Beckenorgane, verlieren diese ihren Halt. Ist nun auch der muskuläre Anteil des Beckenbodens geschwächt, kommt es zu

Organsenkungen. Ein Risikofaktor sind ein erhöhter Bauchinnendruck, wie durch chronische Verstopfung, chronischem Husten, Übergewicht und schwere körperliche Arbeit, sowie Bewegungsmangel, Schwangerschaften und vaginale Geburten. Auch ein Pressen bei der Stuhlentleerung überlastet die muskulären und faszialen Stützstrukturen des Beckens. Eine angeborene Bindegewebsschwäche hat ebenso einen negativen Einfluss.

Das Positive: Muskulatur kann trainiert werden! So auch der Beckenboden und Rumpf.

Die Senkungsbeschwerden können variieren und treten oft schleichend auf. Manche Frauen spüren kaum etwas, andere einen leichten bis starken Druck nach unten. Es können Schmerzen im Becken- und Lendenwirbelsäulenbereich oder bei der Sexualität auftreten. Chronische Harnwegsinfekte aufgrund von Restharnbildung und übermäßiger Drang können ebenso Symptome sein. Häufig begeben sich Frauen erst durch eine Harn-, Stuhlinkontinenz oder Entleerungsstörungen in physiotherapeutische Behandlung. Dabei könnten wir gerade schon bei leichten Senkungen schnell und effektiv unterstützen. Studien zeigen, dass durch regelmäßiges Beckenbodentraining (BBT) eine leichte Senkung dauerhaft um einen Grad verbessert werden kann.

Grundlage für die physiotherapeutische Behandlung und ein korrektes selbstständiges Beckenbodentraining ist die Kontrolle der richtigen Aktivierung und Entspannungsfähigkeit des Beckenbodens durch eine vaginale Palpation. Physiotherapeut*innen mit Arbeitsschwerpunkt Beckenboden untersuchen und behandeln dabei die Muskulatur und die Faszien des kleinen Beckens. Dadurch wird die Gleitfähigkeit der Gewebsschichten, die Durchblutung und der Stoffwechsel angeregt und die Wahrnehmung geschult. Durch das Ertasten im Liegen und auch Stehen kann ein gezieltes und individuelles Programm für die Frau erstellt werden. Der erste Schritt ist immer eine gute Wahrnehmung für den Beckenboden, also dass sich die Frau (wieder) spürt. Danach kann die Kraft, Ausdauer und Reaktionsfähigkeit des Beckenbodens trainiert werden. Die Vibration von spielerischen Hilfsmitteln, Biofeedback- oder Elektrostimulationsgeräte können den Muskelaufbau unterstützen.

Die Schwerkraft kann eine Belastung für die Beckenstrukturen sein. Entlastungsstellungen helfen dabei, den Druck vom Beckenboden zu nehmen. Darunter verstehen wir Umkehrstellungen, also Positionen, in denen das Becken höher als der Rumpf ist.

Die Information über Anatomie und Funktion des Beckenbodens, Verhaltensschulung auf der Toilette oder bei körperlicher Betätigung, viszerale Therapie gegen Verstopfungen sind weitere physiotherapeutische Behandlungsformen bei Organsenkung. Pessaranpassungen werden in Kooperation mit Gynäkolog*innen durchgeführt. Körperliches Training ist für die Becken- und Rumpfstabilität und die Spannkraft des Bindegewebes ausschlaggebend.

Wichtig ist Geduld. In Leitlinien wird empfohlen, dass BBT mindestens sechs Monate mit wöchentlicher Physiotherapie und einem Heimübungsprogramm durchgeführt werden soll.

Beginnen sie gleich heute: Knien sie sich hin, lehnen sie sich auf die abgestellten Unterarme und legen sie den Kopf auf den Fäusten ab. Jetzt gönnen sie ihrem Beckenboden eine Pause oder trainieren sie ihn ganz bewusst, indem sie den Damm abwechselnd nach innen ziehen und wieder lockerlassen.

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Michaela Zechner, BSc

Mitglied des Kompetenzteams

Aus der Ausgabe

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2023|03

Bewegt-Magazin März 2023

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