physio
austria
inform
Dezember 2014
11
BERUFSBILD
Mag. Nicole Muzar et al.
zum originären Auftrag und der ureigenen Aufgabe
der Physiotherapie, d.h. der Fokus auf Bewegungs-
verhalten und Bewegungsfähigkeit unter Berücksich-
tigung der Organsysteme sowie des Erlebens und
Verhaltens, nicht verloren gehen. Wenn eine
sogenannte komplementäre Behandlungsform
Wirkansätze hat, die dazu angetan sind, die physio-
therapeutischen Behandlungsziele im Sinne der
Bewegungsfähigkeit zu unterstützen, und dem
Berufsbild zuzuordnen ist, kann diese auch von
PhysiotherapeutInnen eingesetzt werden.
Offenheit, Transparenz und Reflexion
als Basis einer informierten KlientInnen-/
PatientInnenentscheidung
Komplementäre, wie energiemedizinische und -thera-
peutische Ansätze finden ihren Ursprung oft in der
fernöstlichen Medizin und sind stark geschichtlich
bzw. in anderen Kulturkreisen verankert. Die offene
Begegnung mit Therapieansätzen weniger vertrauten
Ursprungs hat das Potential eines erweiterten Zu-
gangs der Physiotherapie, erfordert aber spezielle
Reflexion und ebensolches Handeln.
Sind im Rahmen von physiotherapeutischen Angebo-
ten auch z.B. fernöstliche Verfahren enthalten, ist
eine besondere Transparenz hinsichtlich der Wahl
und Begründung dieser Maßnahmen unabdingbar.
PatientInnen/KlientInnen müssen die Entscheidungs-
findung von Seiten der PhysiotherapeutInnen
nachvollziehen können und die höchstpersönliche
Möglichkeit haben, sich ebenfalls für oder auch
gegen diese Form des physiotherapeutischen
Angebots zu entscheiden. Hierfür sind objektive und
neutrale Informationen, Kennzeichen einer professio-
nellen Dienstleistung, zur Verfügung zu stellen. Dies
fördert darüber hinaus die Gesundheitskompetenz
(»health literacy«) der PatientInnen/KlientInnen,
unterstreicht das »patient empowerment« und unter-
stützt damit das Ziel, Gesundheit in der Gesellschaft
zu steigern.
Wohl und Gesundheit der PatientInnen
und KlientInnen
Das Wohl und die Gesundheit der PatientInnen und
KlientInnen unter Einhaltung der hierfür geltenden
Vorschriften und nach Maßgabe der fachlichen und
wissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungen zu
wahren, ist eine wesentliche im MTD-Gesetz gere-
gelte Berufspflicht. Dieses Erfordernis besteht für
jede Entscheidung im Rahmen des Physiotherapeuti-
schen Prozesses und ist somit auch im Kontext kom-
plementärer Behandlungsformen zu berücksichtigen.
Hierbei ist zu bedenken, dass für komplementäre
Methoden häufig der wissenschaftliche Nachweis der
Wirksamkeit fehlt, die Anwendung häufig auf Erfahrung
und subjektiver Beurteilung beruht sowie die Abgrenzung
zwischen Placebo-Effekt (für den Krankheitsverlauf durch-
aus nützlich und oft auch bei schulmedizinischer Behand-
lung genutzt) und Wirksamkeit schwierig ist.
Komplementäre Behandlungsformen als Privatleistung
Besonders bei weniger konventionellen Behandlungs-
formen gilt es zu berücksichtigen, dass nicht alle physio-
therapeutischen Maßnahmen auch eine Kassenleistung
darstellen. Krankenversicherungsträger knüpfen oftmals
die Möglichkeit der Rückverrechnung mit der Kranken-
versicherung an den Nachweis der Evidenz einer gewählten
Methode. Dieser Nachweis ist jedoch bei (noch) fehlender
Etablierung einer Methode oder Maßnahme häufig schwer
möglich. Unabhängig davon, wer die Kosten trägt (Kranken-
versicherung oder der/die PatientIn privat), bleibt die Ver-
ordnungspflicht im Falle der Krankenbehandlung bestehen.
Da der Aspekt der Gesunderhaltung einen wesentlichen
Fokus komplementärmedizinischen Denkens darstellt,
kommt hier allerdings auch der physiotherapeutische
Aspekt der Prävention zum Tragen. Hierbei handelt es sich
um Privatleistungen, deren Kosten von den KlientInnen zu
tragen sind. Die Notwendigkeit einer ärztlichen Verordnung
besteht hier nicht.
HINWEIS
Ein Positionspapier »Physiotherapie und
komplementäre Behandlungsmethoden«
finden Sie neu auf
LITERATUR
MTD-Gesetz, Bundes-
gesetz über die Rege-
lung der
gehobenen-medizi-
nisch technischen
Dienste i.d.g.F.
Bundesministerium für
Gesundheit: Komple-
mentäre Heilmethoden
und traditionelle An-
wendungen in Öster-
reich (2007); online
verfügbar:
Bundesministerium für
Gesundheit: Komple-
mentärmedizin und
sonstige komplemen-
täre Methoden (2012);
online verfügbar:
Physio Austria: Ethi-
sche Grundsätze; on-
line abrufbar unter:
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