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physio

austria

inform

Dezember 2015

21

Serie

Gesundheitspolitik

Herausforderung Freizügigkeit

Partieller Berufszugang –

Ein Schritt in Richtung PatientInnengefährdung?

Eine Richtlinie der Europäischen Union über die Aner-

kennung von Berufsqualifikationen (RL 2013/55/EU)

macht es erforderlich, dass sich die Mitgliedsstaaten

mit Teilzulassungen bzw. »Partiellen Berufszugängen« von

gesetzlich geregelten Berufen auseinandersetzen. Die

Umsetzung ist bereits für Anfang 2016 vorgesehen. Von

dieser Notwendigkeit sind auch die Gesundheitsberufe

und damit auch die Physiotherapie nicht ausgenommen.

Ein »Partieller Berufszugang« bedeutet, dass ein/e im

Ausland ausgebildete BerufsangehörigeR in Österreich

bzw. einem anderen Zielland partiell Zugang zu einem

gesetzlich geregelten Beruf erhält. Voraussetzung für

diese Möglichkeit wäre z. B. dass die Unterschiede

zwischen den Tätigkeitsfeldern so groß sind, dass der/

die Berufsangehörige ein vollständiges Ausbildungs-

programm absolvieren müsste, um die Lücken auszu-

gleichen. Das Erfordernis der Umsetzung von Richtlinien

der Europäischen Union ist nachvollziehbar. Der Weg und

die Art der Umsetzung des Gesetzgebers geben Grund

zur Skepsis an einer ernsthaften Auseinandersetzung

u.a. mit den Möglichkeiten, welche die Richtlinie der

EU durchaus einräumt.

Verweigerung aus zwingenden Gründen

Mit einer partiellen Berufszulassung sind im Bereich

des Gesundheitswesens einige Gefahren verbunden.

Intransparenz und Unsicherheit, hinsichtlich Kompeten-

zen auch im Zusammenhang mit der Führung von Berufs-

bezeichnungen und tatsächliche Befugnisse, betreffen

u.a. PatientInnen, Berufsangehörige wie nicht zuletzt

auch ArbeitgeberInnen. So hat die EU die Möglichkeit

eingeräumt, dass ein partieller Zugang aus zwingenden

Gründen des Allgemeininteresses, insbesondere im

Gesundheitsbereich – verweigert werden kann. Für diese

Möglichkeit der Verweigerung des partiellen Zuganges

wurden in Österreich jedoch noch keine konkreten

Regelungen getroffen. So wurde auch noch nicht defi-

niert, welche Berufe für eine Teilzulassung geeignet sind.

Es wird davon ausgegangen, dass die Expertise der

jeweiligen Berufsvertretungen, welche nicht zuletzt durch

ihre internationale Vernetzung einen sehr guten Einblick

über das jeweils eigene Berufsfeld im europäischen

Raum haben, noch eingeholt wird.

Eigenschaften der Physiotherapie

Bis dato unberücksichtigt blieb im Bundesministerium für

Gesundheit zudem, dass bereits Anfang 2014, im Zusam-

menhang mit dem Europäischen Berufsausweis – der eben-

falls 2016 umgesetzt werden soll - das Bundesministerium

für Wirtschaft, Familie und Jugend nach Abstimmung mit dem

Bundesministerium für Gesundheit und Physio Austria der

Europäischen Kommission gemeldet hat, dass aufgrund der

Eigenschaften der Physiotherapie nur eine Anerkennung

des gesamten Berufes in Frage kommt. Physio Austria sowie

MTD-Austria lehnten in ihren Stellungnahmen im Rahmen

des Begutachtungsprozesses die Bestimmungen über den

partiellen Berufszugang gemäß vorliegendem Entwurf ab und

bringen sich weiterhin in den aktuell laufenden Gesetz-

werdungsprozess im Sinne der Qualitätssicherung und

des PatientInnenschutzes ein.

Stellungnahmen

Die Stellungnahmen zum EU-Berufsanerkennungsgesetz

von Physio Austria sowie MTD-Austria finden sich auf

www.physioaustriat.at

In Zeiten der Diskussionen um

Qualität und Transparenz im Sinne

der PatientInnensicherheit und best-

möglichen Gesundheitsversorgung,

wurde im Sommer diesen Jahres ein

Gesetzesentwurf für das »EU-Berufs-

anerkennungsgesetz Gesundheits-

berufe 2016« vorgelegt, der an der

Orientierung an den von der Gesund-

heitspolitik stets propagierten

Werten zweifeln lässt.

© natros – Fotolia.com

Europäischer Berufsausweis

Der Europäische Berufsausweis (EBA) ist kein Ausweis im eigent-

lichen Sinne, sondern ein elektronisches Verfahren für die Anerken-

nung von Berufsqualifikationen zwischen den Mitgliedstaaten der

Europäischen Union (EU). Er ermöglicht es, den AntragstellerInnen

den Antrag online zu verfolgen. Er sollte ab 2016 zur Verfügung

stehen. Der EBA ist der elektronische Nachweis dafür, dass alle

Verwaltungskontrollen durchgeführt und die Berufsqualifikationen

vom Aufnahmeland anerkannt wurden oder dass der/die Antrag-

stellerIn die Voraussetzungen erfüllt, vorübergehend im Aufnahme-

land Dienstleistungen zu erbringen (vgl.

http://ec.europa.eu

).

Der ER-WCPT, die Europäische Region des Weltverbandes für Physio-

therapie, hat für PhysiotherapeutInnen, welche an der Berufsaus-

übung im EU-Ausland Interesse haben und für die der EBA besondere

Relevanz hat ein Informationsschreiben erstellt. Dieses ist im Mitglie-

derbereich der Webseite von Physio Austria, beim Informationsblatt

»Arbeiten im Ausland«, einsehbar.

www.physioaustria.at

ANERKENNUNG

Mag. Nicole Muzar