Background Image
Previous Page  19 / 40 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 19 / 40 Next Page
Page Background

physio

austria

inform

Dezember 2015

19

OSTEOGENESIS IMPERFECTA

Brigitte Müller, Dr. Oliver Semler

MEDIKAMENTE

PHYSIOTHERAPIE

PATIENTiN

PHYSIOTHERAPIE

Das Ziel der Physiotherapie ist, durch Kräftigung des

muskuloskelettalen Systems eine möglichst große

Selbständigkeit für die PatientInnen zu erzielen. Früher

stand Immobilisation im Vordergrund, heute werden die

PatientInnen frühzeitig zu Bewegung motiviert und zu

Selbständigkeit ermutigt, da eine gut ausgeprägte, aktive

Muskulatur auch zu einer verbesserten Stabilität der

Knochen führt.

Die physiotherapeutische Begleitung beginnt bereits

im Säuglingsalter und kann bis ins hohe Alter fortgeführt

werden. Die Schwerpunkte der Therapie gestalten sich

in den verschiedenen Phasen unterschiedlich. Eine wich-

tige Aufgabe in der Physiotherapie ist der Angstabbau.

Anfangs betrifft die Angst die Eltern und weitere Betreu-

ungspersonen des Kindes, wie Pflegepersonal oder

ErzieherInnen. Später kommt es bei den Kindern selbst

zu Ängsten, erneut Frakturen zu erleiden. Sie vermeiden

Bewegungen, dadurch kann es zu einem Verlust der

Mobilität kommen. Ziel ist, durch Beratung und Auf-

zeigen von Fähigkeiten Ängste abzubauen.

Ansätze der Physiotherapie

Im Säuglingsalter werden Eltern im Handling angeleitet,

es werden verschiedene Hebe- und Tragevarianten

ausprobiert, Alltagsaktivitäten wie Wickeln, An- und

Ausziehen, Baden etc. werden geübt. Den Eltern werden

verschiedene Lagerungsmöglichkeiten gezeigt. Durch

die Physiotherapie werden die Kinder in ihrer Entwick-

lung unterstützt. Gerade in dieser ersten Phase müssen

die Eltern in vielfältiger Richtung beraten werden. Hilf-

reich kann ein Kontakt zu Selbsthilfegruppen sein.

So früh wie möglich sollten OI-PatientInnen aktiv in seine

Behandlung einbezogen werden. Ziele werden gemein-

sam festgelegt und erarbeitet. Bevorstehende Aktivitä-

ten werden verbal besprochen. Die PatientInnen haben

dadurch die Möglichkeit, aktiv mitzuarbeiten.

Im Kindes- und Jugendalter ist im Hinblick auf ein selb-

ständiges und selbstbestimmtes Leben besonders

wichtig, neue Bewegungsabläufe und höhere motorische

Funktionen zu erproben, damit das Kind nicht hinter

seinen Möglichkeiten zurückbleibt.

Die Ausprägung der Osteogenesis imperfecta (OI)

variiert stark. Einige PatientInnen haben nur

wenige Frakturen in der Kindheit und sonst keine

Einschränkungen bei fast normaler Körpergröße.

Andere sind aufgrund rezidivierender Frakturen,

ausgeprägtem Kleinwuchs und Verbiegungen der

Röhrenknochen nicht stehfähig. Bei allen Formen

nimmt die Frakturrate nach der Pubertät ab.

Ab diesem Zeitpunkt sind hauptsächlich noch Ein-

schränkungen durch bestehende Verformungen

und degenerative Veränderungen zu erwarten.

Therapeutische Möglichkeiten

Die Therapie der OI basiert auf drei Säulen (Abb.1),

nämlich Medikamente, orthopädische Behandlung

und Physiotherapie.

MEDIKAMENTE

Die Therapie mit Bisphosphonaten ist bei Kindern und

Jugendlichen mit mittleren oder schweren Verlaufsfor-

men einer OI als Standard anzusehen. Bisphosphonate

führen zu einer Hemmung des Knochenabbaus. Dadurch

wird eine Zunahme der Knochenstabilität erreicht,

chronische Skelettschmerzen reduziert und die Mobilität

gesteigert. Die Bisphosphonattherapie ist vor allem

während des Wachstums effektiv und wird nach der

Pubertät beendet. Eine Wiederaufnahme der Therapie

kann bei chronischen Skelett- und Rückenschmerzen

wieder notwendig werden. Andere Medikamente werden

derzeit in Studien untersucht.

ORTHOPÄDISCHE BEHANDLUNG

Nicht dislozierte Frakturen werden häufig durch Immo-

bilisation behandelt. Eine Fraktur bei PatientInnen mit

OI benötigt keinen längeren Heilungsverlauf als bei nicht

betroffenen PatientInnen. Die Immobilisationsphase

sollte so kurz wie möglich gehalten werden, um einem

Abbau von Muskulatur und Knochenmasse vorzubeugen.

Bei dislozierten Frakturen der Extremitätenknochen oder

zur Begradigung von Deformierungen kommen operative

Maßnahmen unter Verwendung von intramedullären

Teleskopnägeln zum Einsatz. Diese bestehen aus zwei in

einander geschobenen Teilen, die während des Wachs-

tums auseinander gleiten können und den Knochen über

viele Jahre von innen »schienen«.

Eine Begradigung von Deformierungen der Beine sollte

erwogen werden, wenn die Mobilität der PatientInnen

dadurch eingeschränkt ist. Bei Kindern, die aufgrund

ihres Alters oder ihrer Gesamtsituation nicht stehfähig

sind, sollte eine Begradigung kritisch überdacht werden.

ORTHOPÄDIE