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physio
austria
inform
Dezember 2015
Themenschwerpunkt
Orchideen der Physiotherapie
Aus Sicht der Therapeutinnen
Verständnis und gegenseitiges Vertrauen sind die
Grundlage für die Arbeit auf C3. Als Therapeutin muss
ich abschätzen lernen, ob und wo ich die PatientInnen
berühren darf, wie ich sie ansehen und ansprechen
muss, damit sie sich sicher fühlen und ich kein fremdag-
gressives Verhalten provoziere. Die Kommunikation und
Aufgabenteilung aller Beteiligten hat einen hohen Stellen-
wert. So begleiten u. U. Physiotherapeutinnen PatientIn-
nen in die Unfall- bzw. pulmologische Ambulanz, da sie
einerseits die Informationen aus ersten Hand bekommen
und andererseits, die Abläufe z. B. bei der Lungenfunk-
tion den PatientInnen besser erklären können, um zu
einem aussagekräftigen Untersuchungsergebnis zu
kommen. Der Kaffee zwischendurch und die Zigarette
danach, um Patient Karl etwa bei Laune zu halten,
gehören dann einfach dazu.
Der Alltag der Physiotherapeutinnen von C3 wird von
Fragen begleitet - Was erwartet mich heute? Wie nähere
ich mich Herrn/Frau XY? Kann ich mich mit ihm/ihr auf
den Sportplatz oder gar auf die Kletterwand wagen? Ist
er/sie heute mehr oder weniger psychotisch oder de-
pressiv und was bedeutet das für die heutige Therapie-
einheit? – und ist durch intuitives und an die Situation
angepasstes Vorgehen gekennzeichnet. Unorthodoxe
Maßnahmen haben genau so ihren Platz wie ein Spazier-
gang, wenn er das Mittel der Wahl ist. Wenn am Ende
einer Einheit dann die Frage: »Wann komme ich wieder
dran?« steht, weiß man, dass es sich lohnt.
Eva Müllauer
© Marek – Fotolia.com
PSYCHIATRIE
Eva Müllauer
»JEDE MITARBEITERIN AUF C3
MUSS SICH AUF DIE SITUATIONEN
EINSTELLEN KÖNNEN UND MUSS
>ORDNUNG IM CHAOS< HABEN.
ES IST WICHTIG, PRINZIPIEN ÜBER
BORD WERFEN UND UNORTHODOXE
MASSNAHMEN SETZEN ZU KÖNNEN
UND ZU DÜRFEN.«
Aldijana Beharic
Aldijana Beharic,
stellvertretende
Stationsleitung,
im Gespräch
Was ist das Besondere an C3?
Das Besondere, das ganz Besondere ist, dass
man mit wenigen Grenzen arbeiten kann. Es ist
selten möglich, zu sagen: »Das liegt nicht in mei-
nem Zuständigkeitsbereich.« Das kann man den
PatientInnen nicht erklären. Die Theorie ist nicht
1:1 umsetzbar. Was hier gelebt wird, kann man
nirgendwo lernen. Wir brauchen viel Improvisati-
onstalent – materiell und emotional. Jede
MitarbeiterIn auf C3 muss sich auf die Situationen
einstellen können und muss »Ordnung im Chaos«
haben. Es ist wichtig, Prinzipien über Bord werfen
und unorthodoxe Maßnahmen setzen zu können
und zu dürfen. Schema F ist nicht möglich, (viele)
Regeln sind nicht möglich, da die PatientInnen die
Konsequenzen nicht verstehen. Sie sind in ihrer
Behinderung gefangen.
Was sind die Erwartungen und Wünsche
an die Physiotherapie? Wie sieht die Rolle
der Physiotherapie aus?
Die Physiotherapie ist sehr wichtig, weil geistig
Behinderte oft auch körperliche Behinderungen
haben. Pflegepersonen haben oft das Auge für
körperliche Schwächen nicht und nehmen mehr
als »normal« hin. Sie erkennen den Schmerz oder
sehen die Schwellung, aber ein verändertes
Gangbild fällt oft nicht auf.
PhysiotherapeutInnen sehen es, erkennen die
Ursache und können ein entsprechendes Training
anbieten. Wünschen würde ich mir mehr sportliche
Aktivitäten v. a. für die jüngeren PatientInnen, dass
die Therapie über sportliche Aktivitäten stattfindet,
wenn es möglich ist, statt auf konventionellem
Weg. Was sehr gut ist, ist die Flexibilität der
Therapeutinnen. Das funktioniert!
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Parlamentarische Anfrage »386187«
www.parlament.gv.atICD-Code F70-F79
www.icd-code.de