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physio

austria

inform

Dezember 2015

9

Eine Erkrankung gilt als selten, wenn nicht mehr als

fünf von 10.000 Menschen das spezifische Krankheits-

bild aufweisen. Rund 30.000 Krankheiten sind weltweit

bekannt, davon zählen mehr als 6.000 zu den sogenann-

ten seltenen Erkrankungen. Diese werden unter dem

Begriff »Orphan Diseases« oft auch als Waisenkinder

der Medizin bezeichnet. Rund 80 Prozent der seltenen

Erkrankungen sind genetisch bedingt, also angeboren.

Daher machen sich viele schon bei der Geburt oder im

frühen Kindesalter bemerkbar. Andere entwickeln sich

erst im Erwachsenenalter. Viele dieser Krankheiten sind

lebensbedrohlich oder führen zu Invalidität. Die meisten

verlaufen chronisch: Sie lassen sich nicht heilen,

Betroffene sind dauerhaft auf ärztliche und therapeu-

tische Behandlung angewiesen.

»Seltene« nicht so selten?

In Österreich leben etwa 400.000 Menschen mit einer

seltenen Erkrankung. Zum Vergleich: In Deutschland

sind es etwa vier Millionen, in der gesamten Europäi-

schen Union geht man von 30 Millionen Menschen mit

einer seltenen Erkrankung aus. So gesehen sind die

»Seltenen« gar nicht so selten. Viele Betroffene unter-

stützen sich gegenseitig in Selbsthilfeorganisationen,

von denen es rund 60 in Österreich gibt. Um gemein-

same Anliegen zu artikulieren und den Erfahrungsaus-

tausch untereinander zu forcieren, engagiert sich ein

großer Teil dieser Organisationen bei Pro Rare Austria,

der Allianz für seltene Erkrankungen.

Menschen, die an einer seltenen Erkrankung leiden,

haben es schwer: Zur meist erheblichen Belastung

durch die Grunderkrankung kommen das Fehlen von

SpezialistInnen sowie mangelndes Wissen über Krank-

heitsverläufe, verfügbare Medikationen und Therapie-

möglichkeiten. Dies ist dann verständlich, wenn nur eine

Handvoll PatientInnen von einer »Rare Disease« betroffen

ist. Dazu kommt, dass Heilmittel, Medikamente oder

Therapien oft gar nicht verfügbar sind. Viele seltene

Erkrankungen gelten als unheilbar, sind lebensbedrohlich

oder zeichnen sich durch eine verkürzte Lebens-

erwartung aus.

Schweres Schicksal

Generell kämpfen PatientInnen um die Akzeptanz ihres

Leidens, eine kompetente medizinische Versorgung und

oft auch um soziale Absicherung. Mitunter deswegen,

weil die Erkrankung nicht ausreichend diagnostiziert

wurde. Die Zeit bis zum Vorliegen einer gesicherten

Diagnose misst man hier nicht in Wochen oder Monaten,

manche PatientInnen warten Jahre. Gibt es SpezialistIn-

nen in einem Zentrum oder einer Fachklinik, muss häufig

eine lange Anreise in Kauf genommen werden.

SELTENHEITSWERT

Dr. Rainer Riedl

© Thaut Images – Fotolia.com

Rund 6.000 seltene Erkrankungen stellen Betroffene und Behandelnde oft

vor große Herausforderungen. Der Weg zu einer Diagnose ist oftmals weit und

wirksame Therapien sind rar. Die Behandlung und Betreuung erfordert von den

PatientInnen und ihren Familien viel Kraft, oft auch viel Geld.