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September 2012
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September 2012
Themenschwerpunkt
Kinderphysiotherapie
© pegbes - Fotolia.com
Laut Weltgesundheitsorganisation ist häusliche Gewalt
eines der weltweit größten Gesundheitsrisiken für Frauen
und Kinder. Wenn die Polizei hinzu gerufen wird, das
Opfer oder deren Umfeld sich für eine Meldung an die
Polizei entscheidet oder eine konkrete Gefährdungs-
situation vorliegt, steht oft schon eine lang andauernde
Leidensgeschichte dahinter. Gerade hier haben die in
den verschiedenen Gesundheitsberufen tätigen Personen
eine große Verantwortung, aber auch die Chance, Verlet-
zungen durch Gewalt in der Familie oder im sozialen Nah-
bereich zu erkennen und entsprechend zu reagieren, um
somit weitere Gewalt möglichst verhindern zu können.
Vielfache Erscheinungsformen
Gewalt tritt in allen Gesellschaftsschichten und in allen
Altersgruppen in den verschiedensten Ausprägungen auf,
wie etwa sexuelle bzw. psychische Gewalt oder kriminelle
Handlungen wie Raub, Mord etc. Die Schwierigkeit bei
der Erkennung von Gewalt in sozialen Naheverhältnissen
liegt darin, dass Täter und Opfer sich in einem vermeint-
lich geschützten Bereich befinden. Je größer die Hilf-
losigkeit und Abhängigkeit des Opfers ist, desto häufiger
bleibt die Gewalttat im Dunkeln. Gerade Kinder sind in
solchen Situationen ihrem Täter oft wehrlos ausgeliefert.
Misshandlungen können vielfältige Verletzungen, akute,
chronische, psychische oder somatische Krankheiten
verursachen und in Einzelfällen auch tödlich enden. Viele
Betroffene verschweigen aus Scham oder Angst, aber
auch aufgrund verschiedenster Abhängigkeiten den wah-
ren Ursprung ihrer Leiden. MitarbeiterInnen in Gesund-
heitsberufen sind meist die ersten und oftmals auch die
einzigen Ansprechpersonen für die Opfer. Sie können
nicht nur konkrete Hilfe in der Notsituation anbieten,
sondern sind auch für die Aufklärung der Gewalttat hilf-
reich. Sicherlich können Behandelnde allein problemati-
sche Lebenssituationen gewaltbetroffener PatientInnen
nicht lösen bzw. deren Gewaltsituation beenden. Im
Speziellen aber bereitet hier der niederschwellige Zugang
zum Opfer eine gute Möglichkeit, als Schnittstelle zu den
entsprechenden Opferschutzeinrichtungen und zur Poli-
zei zu fungieren. Für eine nachhaltige »Bekämpfung« von
Gewalt gegen Kinder:
Erkennen – Handeln –
Schützen
In Fällen von häuslicher Gewalt ist ein einfühlsamer Umgang
mit den Opfern unverzichtbar. Darüber hinaus müssen sich
die Behandelnden mit der rechtlichen Situation auseinander-
setzen und dementsprechend handeln.
Mag. Martina Stöffelbauer
hat Soziologie studiert und war
im polizeilichen Exekutivdienst
in Wien tätig. Derzeit ist sie als
Referentin für angewandte
Kriminalsoziologie im Bundes-
kriminalamt – Bundesministe-
rium für Inneres – mit den
Projekten »Bündnis gegen
Gewalt« und »MedPol« betraut.
GEWALT
Mag. Martina Stöffelbauer
Gewalt bzw. deren Fortführung ist eine ganzheitliche
Betrachtung der/des PatientIn unumgänglich. Durch ent-
sprechende Sensibilität und adäquate Aufklärungsarbeit
seitens des medizinischen Personals können aus Gewalt-
vorkommnissen resultierende Verletzungen besser
erkannt werden, um so das Opfer besser versorgen,
beraten und schützen zu können.
Kinder als Opfer
Gewalt an Kindern kann in physischer, psychischer,
sexueller Form, aber auch durch Vernachlässigung ge-
schehen. Dabei können bei einem Kind auch oft mehrere
Kategorien gleichzeitig zutreffen. Gerade Kinder, die mit
Gewalt in Kontakt kommen, sind auf die Sensibilität und
professionelle Hilfe ihres Umfeldes und von Außen-
stehenden angewiesen. Eine frühe und adäquate Unter-
stützung, die zumeist auch Hilfe für die Erziehungsbe-
rechtigten bedeutet, kann helfen, weitere Verletzungen
psychischer und physischer Art zu verhindern und auch
Langzeitstörungen und Traumatisierungen zu vermeiden.
Hinschauen und Erkennen
Es gibt eine Vielzahl von Indikatoren, die, zwar unspezi-
fisch, aber im Gesamtbild mit anderen Faktoren wie
zum Beispiel Körperhygiene, sprachliche und körperliche
Entwicklung, zweifelhafte oder unstimmige Entstehungs-
geschichte der Verletzung, Umgang der Familienange-
hörigen untereinander usw. einen Verdacht aufkommen
lassen könnten. Dabei ist es entscheidend, nicht nur auf
die grundlegend zu behandelnde Verletzung zu achten,
sondern auf das gesamte Erscheinungsbild, sowie even-
tuelle ältere Verletzungen zu einem Gesamteindruck zu-
sammenzufassen, da es sich bei Kindesmisshandlung
meist um ein typisches Wiederholungsdelikt handelt.
Dazu zählen unter anderem Bisswunden, Brandnarben
(etwa durch Zigaretten oder Verbrühen verursacht), Strie-
men oder Knochenbrüche. Vielfach wird auch versucht,
wiederkehrende Verletzungen des Kindes durch häufigen
Wechsel der/des Ärztin/Arztes oder der Krankenanstalt
zu verschleiern (auch »Spitalshopping« genannt). Kinder,
die mit Gewalt in der Familie konfrontiert sind, brauchen
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