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September 2012
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Themenschwerpunkt
Kinderphysiotherapie
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BOBATH
Marlies Klingesberger, MSc, PT
Schon in den 1940er Jahren entwickelte das
Ehepaar Bobath ein Behandlungskonzept
auf neurophysiologischer Grundlage für
PatientInnen mit zentralen Störungen.
Die Therapie entstand primär durch Berta
Bobaths empirische Verlaufsbeobachtungen
bei der Behandlung von Schlaganfall-
patientInnen. Sie wurde in Folge auch bei
Kindern mit neuromotorischem Entwick-
lungsrückstand angewendet. Dr. Karel
Bobath versuchte die Wirkungsweise und
die Behandlungsergebnisse wissenschaftlich
zu erheben.
Das Bobath-Konzept entwickelte sich
weltweit zu einer der meistangewandten
Therapien bei PatientInnen mit zentralen
Läsionen. Viele Jahre an Erfahrung mit dem
Bobath-Konzept liegen also hinter uns.
Noch zu Lebzeiten der Bobaths war das
Konzept einem ständigen Wandel unter-
legen. Während eines Bobath-Kurses im
Jahre 1983 betonte Berta Bobath: »Unser
Therapiekonzept hat sich seit den Anfängen
sehr verändert. Galt es anfangs die patho-
logischen Reflexe zu hemmen und das Kind
in diesen reflexhemmenden Positionen zu
platzieren mit dem Ziel, dass sich normale
Bewegungen auf diese Art anbahnen lassen,
so wurde später mehr Aufmerksamkeit auf
die dynamische Behandlung gelegt, um so
einen Übergang in funktionelle Tätigkeiten
zu erreichen. Die Erfahrungen, die wir in der
praktischen Arbeit mit den PatientInnen
machen, müssen genützt werden, um die
Therapie zu verbessern, zusätzlich müssen
wir uns an den neuen Erkenntnissen der
Neurowissenschaften orientieren.«
Im Zuge eines Vortrags auf der 8. Fort-
bildungsveranstaltung der Vereinigung der
Bobath-Therapeuten Deutschlands erläuterte
Berta Bobath die Entwicklung und Verände-
rungen des Konzepts vom Beginn weg bis
zum damaligen Zeitpunkt (vgl. Bobath, 1984,
in: Biewald, 2004, S. 10ff). Nach dem Ab-
leben der Bobaths im Jahre 1991 übernahmen
ihre SchülerInnen die Weiterentwicklung des
Konzepts. »Die erfreuliche Fortentwicklung
weist das Bobath-Konzept als dynamische,
sich an den Bedürfnissen des Patienten-
alltags orientierende Methode aus, die über
Krankengymnastik hinausgehend in die
Arbeit anderer Berufsgruppen organisch
integriert werden kann.« (s. Hummelsheim,
1998, S. 75)
Auch wenn sich im Bobath-Konzept vieles
verändert hat, so postulierten die Bobaths
erstmals Ideen, die auch noch heute ihre
Berechtigung haben. So war das Konzept
von Anfang an ein interdisziplinäres Therapie-
konzept. PhysiotherapeutInnen, Ergothera-
peutInnen und LogopädInnen lassen es in
ihre Arbeit einfließen. Es gilt ein Miteinander,
nicht nur zwischen den TherapeutInnen und
ÄrztInnen, sondern gemeinsam mit den Eltern
zum Wohle des Kindes. Das soziale Umfeld
des Kindes wird in die Therapie mit einbe-
zogen bei gleichzeitiger Vorsicht, dass es
zu keiner Überforderung der Eltern kommt.
Freude an der Bewegung, viele Wiederholun-
gen, die Therapie muss für die Betroffenen
einen Sinn ergeben, sie wird so gestaltet,
dass sie in den Alltag übernommen werden
kann – alles Gedanken von den Bobaths,
die ganz aktuelle Gültigkeit haben.
Von Beginn an stützte sich die Therapie
auf zwei Grundpfeiler: die ganzheitliche
Sichtweise und die neurophysiologische
Grundlage.
Das Bobath-Konzept
im Fokus
Ein interdisziplinäres Therapiekonzept aus den vierziger Jahren wird beständig
weiterentwickelt: Einen großen Stellenwert nimmt dabei die ganzheitliche
Sichtweise ein, unterstützt natürlich von den neurophysiologischen Grundlagen.
Anwendung findet das Konzept vor allem in der Therapie mit Kindern.
Marlies Klingesberger, MSc, PT
ist freiberuflich als Physio-
therapeutin tätig, unterrichtet
an der FH Gesundheitsberufe
OÖ und an der Pädagogischen
Hochschule in Linz. Seminar-
und Vortragstätigkeit.
Foto: Marlies Klingenberger
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