physio
austria
inform
Juni 2012
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INFORM
Was ist für Sie der Unterschied zwischen
»normaler« Physiotherapie und Sport-
physiotherapie?
MARKUS FEILMAYR
Für uns ist das oberste Ziel das Wohlbefin-
den der SportlerInnen. Wir arbeiten vor allem
in den Bereichen Prävention und Rehabilita-
tion. Wichtig ist in der Sportphysiotherapie,
dass man über das Anforderungsprofil der
Sportart Bescheid weiß. Dies setzt voraus,
dass sich der/die PhysiotherapeutIn vorher
schon einmal mit der Sportart auseinander-
gesetzt hat – entweder während eines
Trainings oder Wettkampfes oder mittels
Videoanalysen. Das ist für die Evaluierung
von sportartbezogenen Problemen bedeu-
tend. SchwimmerInnen beispielsweise
weisen andere Verletzungen als TurnerInnen
auf. Außerdem ist es auch für die Reha-
Phase entscheidend, über die Sportart
genau Bescheid zu wissen, da dies etwa
Aufschluss darüber gibt, ob die Sportart
mehr Explosivkraft oder Kraftausdauer erfor-
dert. Ein großer Unterschied ist zudem die
Mentalität: SportlerInnen haben große Ziele,
die sie unbedingt erreichen wollen. Der
Körper ist ihr Kapital und deshalb machen
AthletInnen alles, um wieder schnellst
möglich einsatzfähig zu sein.
INTERVIEW
Bernhard Baumgartner, BA
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Juni 2012
Themenschwerpunkt
Sportphysiotherapie
INFORM
Sie arbeiten viel mit SchwimmerInnen,
was ist da zu beachten?
FEILMAYR
Im Schwimmsport gibt es typische Über-
lastungserscheinungen, welche in der
Präventivarbeit beachtet werden müssen.
Wenn ich als Therapeut über die Pathome-
chanismen Bescheid weiß, kann ich dadurch
die Drop-out-Quote auf ein Minimum redu-
zieren. Wichtig sind neben manualtherapeu-
tischem Wissen auch spezifische Kenntnisse
über die Trainingslehre zur Erstellung eines
optimalen Trainings- oder Reha-Plans.
Weiters ist es zum Beispiel in einigen Sport-
arten erforderlich zu wissen, ob AthletInnen
ein hohes oder ein niedriges Kraftdefizit
haben. Bei einem hohen Kraftdefizit benöti-
gen AthletInnen beispielsweise ein intra-
muskuläres Koordinationstraining, wenn
dies hingegen niedrig ist, ein Hypertrophie-
training. Als SportphysiotherapeutIn sollte
man auch die ernährungsphysiologische
Sicht in die Behandlung mit einbeziehen,
da es Nährstoffe gibt, die in der akuten
Wundheilungsphase die Wundheilung
fördern bzw. inhibieren können.
INFORM
Wie sieht die psychische Seite aus?
FEILMAYR
Den Leistungs- und SpitzensportlerInnen
stehen in der Regel eigens dafür ausgebil-
dete Fachleute zur Verfügung, jedoch über-
nimmt man als SportphysiotherapeutIn
besonders in der Wettkampfphase durch
die intensive Betreuung auch eine gewisse
psychologische Funktion.
AthletInnen geben in intensiven Trainings-
einheiten Tag für Tag ihr Bestes und bereiten
sich wie z.B. für die diesjährigen Olympi-
schen Spiele in London mehrere Jahre vor.
Entsprechen die individuellen im Wettkampf
erbrachten Leistungen allerdings nicht den
Erwartungen oder treten Versagensängste
zwischen Vor- und Endläufen auf, sollten
SportphysiotherapeutInnen auch mit den
Emotionen der SportlerInnen umgehen
können.
Da ist es natürlich sehr von Vorteil, wenn
man selbst Leistungssport betrieben hat und
auf eigene Erfahrungen zurückgreifen und
sich somit besser in die Situation der Sport-
lerInnen hineinversetzen kann. Eine wichtige
Eigenschaft eines/einer Sportphysiothera-
peutIn ist es natürlich auch, unter Druck
arbeiten zu können. Es ist ein anderes Ge-
fühl, wenn man zu Hause in seinem eigenen
Therapieraum mit PatientInnen arbeitet oder
im Stadion vor Tausenden Leuten.
INFORM
Wie geht man mit diesem Druck um?
FEILMAYR
Der Druck, sei er bei einer Großveranstal-
tung auch noch so enorm, darf für den/die
AthletIn nicht spürbar sein. Als TherapeutIn
ist es eine Kernaufgabe, ihm/ihr gegenüber
Ruhe auszustrahlen. Jede/r TherapeutIn hat
über die Jahre eine eigene Strategie ent-
wickelt, mit dem Druck umzugehen.
INFORM
Was ist bei einem/einer Leistungsschwim-
merIn denn das klassische Schmerzbild?
FEILMAYR
Bei SchwimmerInnen gibt es klassische
Bagatellverletzungen. Was bei Tennisspiele-
rInnen der Tennisellenbogen ist, ist bei
SchwimmerInnen die Schwimmerschulter
oder das Brustschwimmerknie. Ersteres ist
meistens eine Verletzung oder Überlastungs-
erscheinung, die aufgrund der vermehrten
Außenrotation auftritt. Daraus resultiert eine
Muskeldysbalance zwischen Außen- und
Innenrotatoren bzw. eine Impingement-
symptomatik.
Entscheidend für
Erfolg und Niederlage
Markus Feilmayr ist Physiotherapeut mit Schwerpunkt
Sportphysiotherapie im Olympiazentrum Linz und Sport-
physiotherapeut des erfolgreichen österreichischen
Schwimmnationalteams. Mit inform sprach er über die
Grenze zwischen Therapie und Training, die Motivation der
AthletInnen und den Umgang mit Siegen und Niederlagen.
Fotos: Markus Feilmayr
Markus Feilmayr arbeitet
mit Top-Atlethen wie Markus
Rogan, Jördis Steinegger und
Lupo Paischer.
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