physio
austria
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Juni 2012
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Juni 2012
Einen Artikel über den momentanen »Goldstandard«
der medizinischen Trainingstherapie zu verfassen ist
keine leichte Aufgabe. Die Vorgabe muss sein, das
Thema praxisnah und auf die tägliche Arbeit bezogen zu
umfassen. Schließlich ist die Trainingstherapie für viele
PhysiotherapeutInnen ein wichtiger Bestandteil des
täglichen Praxisalltags. Bei Recherchen zu diesem Thema
ist jedoch zu erkennen, dass schon bei der Definition,
was »Medizinische Trainingstherapie« (in der Folge MTT
genannt) ist, erhebliche Differenzen bestehen. Es gibt
eine rege Debatte und sogar Berufsgruppenkonflikte,
wer zur Durchführung derselben fähig, befähigt, ja
berufen ist. Ziel dieses Textes ist daher, das Thema,
ohne auf diesen Konflikt näher einzugehen, zu behan-
deln. Die LeserInnen mögen sich dann ein eigenständi-
ges Bild machen, welche Berufsgruppen die Ziele der
verschiedenen Phasen der Trainingstherapie erfüllen.
Definitionen
Univ. Prof. Dr. Paul Haber, u.a. Leiter der Abteilung Sport
und Leistungsmedizin der Klinik für Innere Medizin IV
Medizinische Universität Wien, definierte als Sportmedi-
ziner 2006 MTT wie folgt: »MTT ist die Anwendung von
körperlichem Training bei (noch) Gesunden oder Patien-
ten, im Rahmen einer medizinischen präventiven oder
kurativen Behandlung, auf ärztliche Empfehlung und Ver-
ordnung, mit klaren Indikationen zur Erreichung von defi-
nierten Therapiezielen. MTT ist also die Fortsetzung der
medizinischen Therapie mit einem anderen Mittel.« (Me-
dizinische Trainingstherapie. Paul Haber, Josef
Tomasits; 2006) MTT muss unter direkter ärztlicher
Aufsicht durchgeführt werden, wobei Teile der Behand-
lung von speziell geschultem Personal (beispielsweise
PhysiotherapeutInnen) durchgeführt werden dürfen.
Wenn man die Websites der PhysiotherapeutInnen
durchforstet, definieren viele die von ihnen durchgeführte
Medizinische Trainingstherapie nach dem norwegischen
Krankengymnasten Rolf Gustavsen: »Die medizinische
Trainingstherapie ist eine rein aktive Behandlungsform
mittels Geräten und Zugapparaten. Die Therapie bein-
haltet Übungen zur Förderung/Erhaltung der Elastizität
der Weichteile, zur Verbesserung der Muskelkraft, der
Muskelausdauer und der Koordination. Den Übungen
geht eine exakte Funktionsdiagnose voran. Es folgt eine
entsprechende symptomatische Behandlung. Der Patient
wird an den entsprechenden Geräten angeleitet, bevor
er selbständig üben kann. Ziel der anschließenden
Trainingstherapie ist das Erlangen von Schmerzfreiheit
und die objektive Verbesserung der physischen Funk-
tionsqualitäten des Patienten.« (Trainingstherapie im
Rahmen der Manuellen Medizin - Prophylaxe und Re-
habilitation. Rolf Gustavsen, Renate Streeck; 1997)
Hierzu ist allerdings zu vermerken, dass die verschiede-
nen Fachrichtungen in der Physiotherapie, wie zum
Beispiel Sportphysiotherapie oder auch muskuloskelet-
tale Physiotherapie, um nur zwei zu nennen, nicht immer
ganz einig zu sein scheinen, wer nun der/die SpezialistIn
ist, der/die bestimmt, was MTT zu sein hat.
Die Sportwissenschaft bietet eine weitere, sportbezoge-
nere Definition an: »Medizinische Trainingstherapie (MTT)
ist der Einsatz von Methoden und Elementen aus dem
Bereich des sportlichen Trainings zur planmäßigen
Rehabilitation basierend auf wissenschaftlichen Grund-
lagen der funktionellen Anatomie, der Biomechanik,
der Bewegungslehre und der sportwissenschaftlichen
Trainingslehre.« (Nepper 1994)
Medizinische Trainingstherapie
Die spezifische Forderung an die MTT ist jedoch die
Individualisierung. Neben der genauen therapeutischen
Befundung muss der medizinische Trainingsbereich und
die Trainingsbelastung zu jeder Zeit auf die individuellen
Anforderungen des/der PatientIn abgestimmt werden.
Es gibt kein »Rezept«, wann was wie gemacht werden
soll.
Die Individualisierung des Therapieplans fokussiert auf
Funktionen. In Anlehnung an die ICF Teil 1 sind mit der
Körperfunktion und -struktur neuromuskuloskelettale und
bewegungsbezogene Funktion, sensomotorische Funk-
tion und Schmerz, mentale Funktion, Ernährungsfunktion
und der urogenitale Trakt, Funktionen der Haut, Funktio-
nen des Herz-Kreislauf-Systems, sowie respiratorische
Funktionen zu beachten. Veränderungen der Körperfunk-
tion sind physiologischer Natur, während Veränderungen
der Körperstruktur anatomischer Natur sind.
TRAININGSTHERAPIE
Themenschwerpunkt
Sportphysiotherapie
Die vielen Gesichter
der Medizinischen Trainingstherapie
Eine individuelle, effektive Anwendung der Medizinischen
Trainingstherapie (MTT) erfordert neben der unentbehrlichen
PatientInnenmotivation vor allem auch eine hochwertige Ausbildung
der TherapeutInnen. Eine kurze Übersicht über die unterschiedlichen
Aspekte der Therapie.
Wolfgang Pachatz, MSPhT, PT
Fotos: Eva Asdou
Wolfgang Pachatz,
MSPhT, PT (SPT)
2000 Ausbildung zum Physiotherapeuten
am Wiener AKH, Sonderausbildung zum
Sportphysiotherapeuten (Österreichische
Gesellschaft für Sportphysiotherapie),
2005–2008 Key Instructor Sling Exercise
Therapy/Neurac an der SET Clinic Oslo/
Norwegen, 2008 Abschluss an der Univer-
sität Wien: Master of Sports Physiotherapy,
zurzeit Dissertant am Institut für Sport-
wissenschaft/Sportmedizin.
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