Atemtherapie
in der Geriatrie
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physio
austria
inform
Februar 2012
Die Auswirkungen des Alterungsprozesses
auf das Atemsystem sind erheblich. Sie
betreffen die Thoraxwand- und die Lungen-
mechanik, die Atemmuskulatur, den
Gasaustausch und die Atemregulation.
Nachlassenden Rückstellkräfte der Lunge,
eine steifere Thoraxwand sowie eine gerin-
gere Stabilität des Stützapparates können
beobachtet werden. Die kleinen Bronchien
weisen eine höhere Tendenz zu kollabieren
auf und die Alveolen flachen ab. Die alters-
bedingte Atrophie der Muskulatur, die verän-
derte Thoraxform (Alterskyphose) und die
geringere Compliance der Lunge beeinträch-
tigen die Funktion der Atemmuskulatur.
Der Gasaustausch wird unter anderem durch
die verringerte alveolare Oberfläche, die
verminderte Dichte der Lungenkapillaren,
Abnahme des Blutvolumens in den Lungen-
kapillaren und die erhöhte Heterogenität des
V/Q-Koeffizienten beeinträchtigt. Basale
Abschnitte werden bei normalem Atemzug-
volumen schlecht ventiliert. Dies führt dazu,
dass ältere Menschen weniger Sauerstoff
aus der eingeatmeten Luft ins Blut aufneh-
men sowie weniger Kohlendioxid abatmen.
Zuweisungen zur Atemtherapie bei geriatri-
schen PatientInnen erfolgen mit: Pneumo-
nie, COPD oder respiratorischem Infekt und
die Therapie erweist sich auf Grund einer
meist bestehenden Multimorbidität als
schwierig. Am häufigsten durchgeführt
werden: Inhalationsschulung, Sekret-
förderung, Lagerung zur Ventilationsverbes-
serung, O2-Einschulung und Mobilisation.
Die physiotherapeutische Behandlung ist
jedoch limitiert durch:
• Kognitive Einbußen
– Diese wirken sich
negativ bei sämtlichen Schulungsmaß-
nahmen auf. Die Betroffenen sind häufig
auch nicht mehr in der Lage Aufgaben
zu erledigen, die mehrere Schritte
beinhalten.
• Arthrosen im Handbereich
– Deformitäten
der Hand und die damit verbundenen
Schmerzen hindern die Betroffenen das
Inhalationsgerät zu bedienen. Speziell das
Auslösen des Sprühstoßes bei Dosier-
aerosolen erweist sich oft auch bei
Anwendung aller Tricks als unmöglich.
• Kein oder mangelnder Mundschluss
In beiden Fällen ist die Inhalationstherapie
mit den üblichen Inhalationsgeräten nicht
oder nicht effizient möglich. Die Verwen-
dung von Geräten zur Sekretförderung ist
ebenso schwierig bis unmöglich.
• Osteoporose
– die Folgen der Osteo-
porose in Form von schmerzhaften Wirbel-
körpereinbrüchen behindern die Sekret-
förderung, da die PatientInnen auf Grund
der Schmerzen oft nicht effizient husten
(können). Manuelle Unterstützung durch
die TherapeutIn ist auf Grund des hohen
Frakturrisikos kaum/nicht möglich.
• Inkontinenz
– Das Vorliegen einer
Inkontinenz wirkt sich massiv aus.
Einerseits versuchen die Betroffenen
durch weniger Trinken dem unfreiwilligen
Harnverlust entgegen zu wirken mit nega-
tiven Auswirkungen auf die Konsistenz des
Sekrets. Andererseits führt das Husten zu
unfreiwilligem Harnverlust und wird daher
möglichst unterdrückt. Den Betroffenen
ist besonders sensibel zu begegnen. Tipps
und Tricks: vor der Sekret fördernden
Therapie die Toilette aufsuchen lassen,
geeignete Sitzposition, Beine kreuzen
lassen, auf Inkontinenzprodukte zurück-
greifen, längerfristig Beckenboden-
training einplanen.
Themenschwerpunkt
Geriatrie
Die physiotherapeutische Behandlung geriatrischer PatientInnen setzt umfangreiches
Wissen in vielen Fachgebieten sowie in Geriatrie und Gerontologie voraus. Im Bereich
der Atemtherapie scheint die Herausforderung besonders groß. Voraussetzung sind die
Auseinandersetzung mit physiologischen Alterungsprozessen sowie Aufmerksamkeit
und Kreativität, um limitierende Faktoren erfassen und managen zu können. Wesentlich
ist auch zu erkennen, wann durch Atemtherapie keine Verbesserung der Symptome
bei palliativen PatientInnen in der Finalphase mehr möglich ist.
Arzneimittel
können auch
als Aerosol
verabreicht
werden.
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