INNOVATION
Stefan Podar, M.App.Sc, PT
26
physio
austria
inform
Februar 2012
Wissenschaft und Forschung
Übungen wie das »abdominal drawing-in
maneuver« oder Beckenbodentraining sind
heutzutage aus der Rehabilitation von LWS-
und Beckendysfunktionen und Instabilitäten
kaum mehr wegzudenken. In der Praxis stellt
dies allerdings oft eine Herausforderung für
TherapeutIn und PatientIn dar. Es ist jedoch
nicht immer einfach, die jeweilige Übung
jedem/r Patienten/in erfolgreich zu instruie-
ren. Auch die objektive Überprüfung durch
Palpation ist schwierig. Somit ist der thera-
peutische Effekt stark vom Körpergefühl
und der Statur des/der PatientIn sowie
dem pädagogischen Geschick des/der
TherapeutIn abhängig.
Viele KlientInnen können sich nur schwer
vorstellen‚ wie und welche Muskeln ange-
spannt werden sollen und welche nicht.
Auf der Gegenseite gibt es für Physiothera-
peutInnen keine objektive und zuverlässige
Methode, um Behandlungserfolge zu messen
und zu dokumentieren. Der zusätzliche
Einsatz des Echtzeit-Ultraschalls (Real-Time
Ultrasound - RTUS) bietet daher insbeson-
dere beim Training der Tiefenmuskulatur
eine Vielzahl von Vorteilen:
Darstellung der tiefen Muskelschichten
in Echtzeit
Beurteilung von Tonus, Kraft und
Aktivität
Feststellung automatischer Aktivierung
bei Belastung (z.B. Straight leg raise)
und Feststellung der Fähigkeit zur
isolierten Kontraktion
Visuelles Feedback für PatientIn und
TherapeutIn
Querschnitts- und Umfangmessungen
der Muskeln bei diversen Aufgabe-
stellungen
Speicherung der Bilder und dadurch
objektive Erfassung und Dokumentation
von Therapiefortschritten
Seitdem Bergmark
1
1989 das Konzept der
globalen und lokalen Muskeln beschrieb,
herrscht ein erhöhter Fokus auf Befundung
und Training letzterer. Zusammenfassend
lässt sich sagen, dass lokale Muskeln auf-
grund ihrer anatomischen Lage und der
neurophysiologischen Charakteristik des
Feed-Forward-Mechanismus
3-5
eine wichtige
stabilisierende Funktion haben
2
. Am besten
wurden M. Transversus Abdominis, lumbale
Mm. Mulitfidi, Diaphragma und die Becken-
bodenmuskulatur
2,5-10
erforscht und ein
Zusammenhang von Dysfunktionen und
LWS-, ISG- und Schambeinproblemen wurde
vielfach bewiesen
11-16
. Der Einsatz spezifi-
schen Stabilisationstrainings oder segmen-
taler Stabilisation ist nicht nur evidence-
based
17-19
, sondern wurde auch durch zahl-
reiche Therapieerfolge in der täglichen
Praxis bestätigt.
Warum RTUS?
Zusätzlich zu den oben genannten Vorteilen
lässt sich auch der Tonus von tiefen Muskel-
schichten beurteilen, denn abgesehen von
reduzierter Aktivierungsfähigkeit führt auch
Muskel-Hypertonie häufig zu Beschwer-
den10. Krankheitsbilder, die häufig mit einer
exzessiven beziehungsweise reduzierten
Muskelaktivität einhergehen, sind Instabilitä-
ten in Becken und LWS, chronischer Rücken-
schmerz oder auch Schambeinentzündun-
gen
11-16
. Anhand des RTUS lassen sich
An- und Entspannungsstrategien gut erler-
nen und die Kontrolle durch den Bildschirm
bietet vielen PatientInnen ein Erfolgserleb-
nis. Selbstverständlich sollte die Befundung
und Behandlung mittels RTUS nicht bei
jedem/r KlientIn standardmäßig, sondern
immer im Rahmen eines Clinical-Reasoning-
Prozesses stattfinden.
In der Anwendung ist es wichtig, den/die
Patienten/in nicht aus den Augen zu
verlieren, da sonst fehlerhafte Kompensati-
onsstrategien (z.B. M.rectus abdominis
Kontraktion oder Beckenkippung) übersehen
werden können.
Die Erfahrungen aus Praxis und Wissen-
schaft
20-22
zeigen die Vorteile der zusätz-
lichen Anwendung RTUS gegenüber her-
kömmlichen Methoden alleine, klar auf.
Auch wenn RTUS in der Physiotherapie bei
Becken und LWS am besten erforscht ist,
gibt es weitaus mehr Anwendungsbereiche.
Zum Beispiel wurden gute klinische Erfolge
bei Befundung und Training lokaler Hüft-
muskeln (z.B. M. Quadratus Femoris) oder
als Feedback bei der Haltungsschulung
von HWS und Schultergürtel erzielt.
Aufgrund der niedrigen Intensität (etwa ein
Hundertstel von jener des therapeutischen
US) gilt es als eine sehr sichere Therapie-
methode. Dennoch wird bei Schwanger-
schaft vom Einsatz abgeraten
10
.
Abschließend lässt sich sagen, dass RTUS
bei richtiger Anwendung und PatientInnen-
selektion ein Tool darstellt, mit dem die
Befundung und das Training »lokaler Stabili-
satoren« um ein Vielfaches effektiver und
zuverlässiger wird.
Echtzeit-Ultraschall
in der Physiotherapie
Vom Profifußballer mit Schambeinentzündung bis zum Büroangestellten mit Rückenschmerzen –
Der Einsatz von Echtzeit-Ultraschall (Real-Time Ultrasound – RTUS) bei musculoskeletalen
Dysfunktionen in Becken und LWS führt zu Behandlungserfolgen. In Ländern wie Australien,
Kanada, Großbritannienund den USA ist diese Therapieform bereits etabliert.
PHYSIO AUSTRIA KURS
»RTUS und seine Anwendung in der
Behandlung von musculoskeletalen
Dysfunktionen in Becken und
Lendenwirbelsäule«
24. – 25.9. 201, Wien
KURSGEBÜHR
eur 220 für Mitglieder bzw.
eur 275 für Nichtmitglieder
16 UE
Stefan Podar, M.App.Sc.
Ausbildung zum Physiotherapeuten am
AKH Wien, seit 2006 selbständig als Physio-
therapeut tätig, Master of Musculoskeletal
and Sportsphysiotherapy an der University
of South Australia 2010, Weiterbildung im
Bereich RTUS in Adelaide, Australien 2010.
Kontakt:
Fotocredit: Stefan Podar
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