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Dezember 2015
31
PÄDIATRIE
Christina Mühlburger, Bernhard Taxer, MSc
VIBeS Plus und IBAIP
Nach der stationären Behandlung ist eine
weitere Versorgung des Kindes unumgäng-
lich. Zu den bekanntesten Nachbehand-
lungsprogrammen zählen das VIBeS Plus
Interventionsprogramm (Victorian Infant
Behavioral Study Plus Program) und das
Infant Behavorial Assessement and Interven-
tion Program (IBAIP). Ersteres wurde von
einem interdisziplinären Team, bestehend
aus PhysiotherapeutInnen, ÄrztInnen,
PsychologInnen, ErgotherapeutInnen und
KrankenpflegerInnen entwickelt. Das IBAIP
basiert auf den Untersuchungen einer
Forschergruppe um Rodd Hedlund und
zwei Physiotherapeutinnen aus den USA.
Wissenschaftlich wurden beide Programme
vor allem auf das kognitive und motorische
Outcome der Frühgeborenen hin untersucht
(Spittle et al, 2010; Koldewijn et al, 2009).
Sie wurden jeweils mit einer Standard-
Versorgung verglichen und die jeweiligen
Outcome-Kriterien in Abständen bis zu
66 Monaten evaluiert (Hus et al, 2013).
Es handelt sich dabei primär um retrospektiv
angelegte Studien.
Es zeigt sich, dass die allgemeinen physio-
therapeutischen Ziele in Bezug auf die kind-
liche Entwicklung in beiden Interventions-
programmen sehr ähnlich sind. Posturale
Kontrolle, Verhaltensregulation und Arbeit
mit der primären Bezugsperson werden in
beiden Konzepten als wesentliche Eckpfeiler
beschrieben. Der Arbeit mit den Eltern wird
im VIBeS Plus Programm noch mehr Bedeu-
tung beigemessen, welche durch Psycho-
logInnen unterstützt wird. Neben der Evalu-
ierung der kindlichen Entwicklung bezogen
auf Kognition und Motorik wird auch die psy-
chische Gesundheit der primären Bezugsper-
son statistisch untersucht und ausgewertet.
Der zeitliche Faktor der Interventionen
variierte bezüglich der Dauer der einzelnen
Einheiten sowie der Gesamtlänge der Pro-
gramme. Trotz einer längeren Betreuung der
Frühgeborenen im VIBeS Plus Programm
konnten langfristig keine statistisch signifi-
kanten Effekte im motorischen Bereich
verzeichnet werden.
Conclusio
In den untersuchten Studien werden je nach
Entwicklungsstand der Kinder unterschied-
liche Assessements herangezogen und ver-
glichen. Das spricht zwar einerseits für die
hohe Qualität der Studien, erschwert jedoch
einen möglichen direkten Vergleich der
Outcome-Parameter.
Durch die veröffentlichten Studien konnte ge-
zeigt werden, dass es eine wissenschaftliche
Evidenz für die positiven Auswirkungen beider
Programme gibt. Interessanterweise liegen
die Verbesserungen des VIBeS Plus Program-
mes jedoch primär im Verhalten der Kinder
und in der psychischen Gesundheit der pri-
mären Bezugsperson, während mittels IBAIP
langfristig positive Effekte in der Motorik er-
zielt werden. Bezogen auf die Fragestellung
der Arbeit und die physiotherapeutische
Relevanz scheint daher das IBAIP dem VIBeS
Plus Programm überlegen.
Christina Mühlburger, Bernhard Taxer, MSc
© Ramona Heim – Fotolia.com
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