ROLLENVERSTÄNDNIS
Markus Martin
Zielorientiert oder zum Ausgleichstraining
Anforderungsspezifisches Training ist im Sportbereich
natürlich das häufigste (Laufen für Läufer, Heben für
Gewichtheber etc.). Auch das Band kann dazu beitragen,
obwohl in Bezug auf Bewegung dabei nur bedingt geeig-
net. Hinsichtlich Haltung kann es dabei aber sehr gute
Dienste leisten, wie z.B. im Tanzsport, Eistanz oder auch
Rhythmischer Sportgymnastik (Abb. 3). Wichtig für
intensiv trainierende SportlerInnen ist es aber nicht
weniger, ein entsprechendes Ausgleichstraining zu ma-
chen. Beispiel Radsport: hier muss viel in völliger Flexion
der Wirbelsäule und Hüftgelenke geübt werden – Form-
veränderungen in Lumbalbereich und oberer Brustwirbel-
säule, Verkürzungen pectoral und ischiocrural sind u.a. die
Gefahr. Hier können Gymnastikbänder z.B. zur Pectoralis-
Dehnung hervorragend eingesetzt werden (Abb.1).
Elastizität und Geschmeidigkeit
Was in den von mir seit über 20 Jahren durchgeführten
Thera-Band®-Kursen die KollegInnen immer wieder aufs
Neue in Erstaunen versetzt, ist am eigenen Körper zu
erfahren, dass ein Bandeinsatz unmittelbar zur Erhöhung
der Beweglichkeit führen kann. Wie aus der Brügger-
Therapie bekannt, ist diese Technik der Antagonisten-
Hemmung mit dem Latexband hervorragend zu prakti-
zieren. Man aktiviert eine Muskelgruppe in eine die
Aufrichtung des Körpers (gegen die Schwerkraft) unter-
stützende Richtung und erzielt damit – bei ausreichender
Reizsetzung in Widerstand, Wiederholungszahl und end-
gradiger Durchführung – eine Steigerung des Bewegungs-
umfangs. Dass es sich dabei nicht um einen Kräftigungs-
oder klassischen Dehnungseffekt handeln kann, ist inso-
fern offensichtlich, als die Mehrbeweglichkeit schon nach
ein bis zwei Minuten Training erzielt wird. Alois Brügger
führte diese Wirkung damals auf die von Charles Scott
Sherrington beschriebene reziproke Hemmung zurück,
nach der eine antagonistische Muskelgruppe bei Aktivie-
rung der Agonisten in der Regel im Tonus gesenkt wird,
um u.a. die Bewegung zu erleichtern.
Zur Therapieunterstützung
Für alle KollegInnen, die diese Technik anwenden, um
zu testen, ob ein Gelenk-/Bewegungsbereich »lediglich«
(eigenständiges) Muskeltraining erfordert oder manuell,
physikalisch oder gar evtl. pharmazeutischer oder opera-
tiver Versorgung bedarf, kann das Band dann noch als
»kleines Helferlein« bei der Diagnostik-Arbeit eingesetzt
werden. Wende ich die oben beschriebene Antagonisten-
technik mit dem Band an, kann ich mir sehr viel anstren-
gende Widerstandsübungen (konzentrisch-isometrisch-
exzentrisch in entsprechender Wiederholungszahl)
ersparen. Aber auch neben den so viel einfacher durch-
zuführenden Probe-Dekontraktionen kann das Band die
Therapie auf andere Weise als Traktionsgerät unterstüt-
zen. So ist es möglich – z.B. von Arthrose betroffene
Gelenke – von extern (Band z.B. an der Tür fixiert) unter
Zug zu bringen. Die ist als Hausaufgabe eine gute
Möglichkeit für die PatientInnen, sich unterstützend
etwas Entlastung zu verschaffen.
Die angeführten Übungen sind nur Beispiele für die tolle
Variabilität, die das Band - weit über den Kraftgedanken
hinaus - bietet. Selbst das damit allgemein praktizierte
Krafttraining verdient mehr funktionelle Aufmerksamkeit,
als nur einfach an »Auseinanderziehen« zu denken.
Markus Martin
»EGAL WELCHES ÜBUNGSBUCH MAN FÜR DIE LATEX-
BÄNDER AUCH IMMER AUFSCHLÄGT, STETS FINDEN
SICH ERLÄUTERUNGEN, WELCHE MUSKELGRUPPE MAN
DAMIT ERREICHT UND ZWAR IMMER IM SINNE DER
KRÄFTIGUNG. DOCH DAS IST SCHADE, DA GYMNASTIK-
BÄNDER SO VIELE ZUSÄTZLICHE OPTIONEN BIETEN.«
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© Markus Martin
ABB 3
Schiebe die Ellenbogen weit nach außen, während du
die korrekte Tanzhaltung zu deinem/deiner PartnerIn hältst
physio
austria
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April 2016
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