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April 2016

37

SCHMERZ

Bernhard Taxer, MSc

Outcome und Ergebnisse

Die endgültige Studienrecherche kam zu einem Ergebnis

von 23 RCTs und einer gesamten ProbandInnen-Anzahl

von 31.112 Personen. In den diesen Arbeiten wurden

folgende Präventionsinterventionen untersucht:

°

Übungen

°

Aufklärung

°

Kombination Übungen und Aufklärung

°

Rückengürtel

°

Schuheinlagen

°

Andere Präventionsstrategien

Die meisten Untersuchungen fokussierten sich größten-

teils auf ProbandInnen im arbeitsfähigen Alter. Die Teil-

nehmerInnenzahl (n) variierte dabei von 30 bis 12.772,

was sich, neben methodologischer Qualität und Wider-

sprüchlichkeit vorliegender Resultate, auf den jeweiligen

Empfehlungsgrad der Intervention auszuwirken hatte.

Nach statistischer Auswertung und Evaluierung der

Ergebnisse besagt diese Arbeit, dass die Kombination

aus Übung und Aufklärung unter all den untersuchten

Strategien, mit einem moderaten Empfehlungsgrad das

Risiko von Rückenschmerz am deutlichsten reduziert.

Rückengurt, Schuheinlagen und Aufklärung alleine wei-

sen nur niedrige bis sehr niedrige Ergebnisse in Bezug

auf Empfehlungsgrad auf. Übung allein zeigt zumindest

eine Tendenz dahingehend, dass das Risiko auf Rücken-

schmerz bzw. resultierende Krankenstände verringert

werden könnte, dabei existieren allerdings noch zu wenig

methodisch hoch qualitative Studien, vor allem betref-

fend ProbandInnenzahl und Langzeiteffekte.

Kommentar

Mittels PEDro-Klassifikation für RCTs und dem GRADE-

System können klinische Studien klar auf ihre methodo-

logischen Stärken und Schwächen hin untersucht und

evaluiert werden. Aus der Vielzahl an Daten ergeben sich

dann mit Hilfe dieser Auswertungstools Möglichkeiten,

Interventionsstrategien zusammenzufassen. Dies hat den

Sinn, klare Empfehlungen oder Nicht-Empfehlungen im

Sinne einer evidenzbasierten Medizin auszusprechen, um

diese dann auch den PatientInnen rechtmäßig zukommen

zu lassen. Die Crux liegt allerdings wie so oft im Detail, in

diesem Fall auch im inhaltlichen.

Die vorliegenden Studien mit einer hohen Anzahl an

TeilnehmerInnen beziehen diese aus Militäreinrichtungen

bzw. handelt es sich um Angestellte in der Hauskranken-

pflege. Beides erscheint zwar in Bezug auf Alter und evtl.

Geschlecht repräsentativ, allerdings nicht in Bezug auf

Belastung und etwaige Vorerfahrungen oder Einstellung

zum eigenen Bewegungsverhalten. Eine Erfassung der

jeweiligen »Beliefs« wäre bezogen auf präventive Ansätze

ein zusätzlich zu erfassender Parameter, v. a. wenn es

um Aufklärung als Intervention geht.

Schulungen zu »richtigem« Bewegen, Anatomie, Bio-

mechanik, ergonomische Aufrichtung usw. haben zur

Folge, dass Betroffene zu einem veränderten Bewegungs-

verhalten neigen, welches tendenziell zu Angst-Vermei-

dungsverhalten führt (Bunzli et al, 2015). Letztendlich ist

auch das möglicherweise ein Grund, dass der Bewegungs-

aspekt, ob spezifisch oder unspezifisch, zwar in kurz-

fristigen Messungen zu einem verminderten Risiko des

Auftretens von Rückenschmerz führt, es allerdings noch

keine langfristigen Ergebnisse gibt, so lange man mit

veralteten Strukturen und mangelnder Information zu

Schmerzverhalten arbeitet. Provokant gesagt, zählen

auch Interventionen wie Rückengurt, Stützmieder oder

Schuheinlagen zu überholten »Bildern« und Interventions-

strategien, wenn es um die Prävention von Rückenschmerz

geht (Smith et al, 2014). Teilweise mag dies auch am

Erscheinungsjahr der untersuchten Studien liegen.

Zusammenfassend zeigt das gelesene Review sehr gut

auf, dass Bewegung und Aufklärung am ehesten zu emp-

fehlen sind, um Rückenschmerz vorzubeugen. Allerdings

kann mit Hinblick auf aktuelle Arbeiten zu diesen beiden

Aspekten vor allem inhaltlich an zukünftigen Studien

gearbeitet werden, um eine reflektierte, zeitgemäße

Sekundärprävention zu gestalten.

Bernhard Taxer, MSc

LITERATUR

Bunzli S, Smith A, Schütze R,

O'Sullivan P. (2015) Beliefs un-

derlying pain-related fear and

how they evolve: a qualitative

investigation in people with

chronic back pain and high

pain-related fear. BMJ Open.

2015 Oct 19;5(10):e008847.

doi: 10.1136/bmjopen-2015-

008847.

Smith BE1, Littlewood C, May

S. (2014). An update of stabili-

sation exercises for low back

pain: a systematic review with

meta-analysis. BMC Muscu-

loskelet Disord. 2014 Dec

9;15:416. doi: 10.1186/1471-

2474-15-416.

Statistik Austria, Gesundheits-

befragung 2014. - Bevölkerung

in Privathaushalten im Alter

von 15 und mehr Jahren. –

Hochgerechnete Zahlen.

Erstellt am 10.11.2015