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April 2016
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PhysiotherapeutInnen haben an den Special
Olympics Pregames 2016 teilgenommen und
ihre Expertise eingebracht. Der Probelauf für
2017 war ein voller Erfolg.
Werden PatientInnen von medizinischem Fachpersonal
nicht als Mensch wahrgenommen, können sie sich
dazu äußern, mehr Aufmerksamkeit einfordern. Aber
Menschen mit kognitiven Defiziten gelingt dies nicht.
Sie haben kein Kommunikationspotential, um diese
Situationen eigenständig zu lösen und auf sich auf-
merksam zu machen. 40 Prozent aller Menschen mit
Intellektuellen Defiziten (ID) erfahren eine insuffiziente
Gesundheitsvorsorge und können regelmäßige medizini-
sche Betreuungsangebote zur Hebung ihrer grundlegen-
den Gesundheitsbedürfnisse weniger leicht in Anspruch
nehmen als die gesunde Bevölkerung. Dies gilt auch
für Länder mit einem grundsätzlich hoch entwickelten
Gesundheitssystem.
Healthy Athletes – Entwicklung
In den Jahren 1990 bis 1994 gründete Special Olympics,
die größte internationale Sportorganisation für Menschen
mit intellektuellen Einschränkungen, das Healthy Athletes
Programm. Dieses Programm macht es sich zur Aufgabe,
durch Vorsorgeangebote wie medizinische Screenings
und präventive Schulungen die körperliche Gesundheit
von Menschen mit ID zu heben, um somit deren Bewe-
gungs- und Sportfähigkeit zu sichern. Darüber hinaus
initiiert und fördert das Healthy Athletes Programm die
erweiterte Ausbildung von medizinischen Berufsgruppen
im Umgang mit Menschen mit ID und zielt darauf ab,
weltweit Gesundheitssysteme in der Entwicklung und
im Aufbau der aktiven Inklusion von ID-Personen in die
nationalen Gesundheitseinrichtungen und Gesundheits-
angebote zu unterstützen.
In Österreich hat der konsequente Aufbau eines Healthy
Athletes Programms in Vorbereitung der Weltwinterspiele
Special Olympics 2017 begonnen. Seit den ersten Ge-
sprächen zwischen Special Olympics Österreich und dem
Institut Physiotherapie an der FH JOANNEUM (FHJ) im
Herbst 2014 sind mehrere Projekte zum Bereich Bewe-
gung und Gesundheit von Menschen mit ID am Institut
Physiotherapie FHJ durchgeführt worden. Kooperationen
zu anderen Gesundheitsstudiengängen wurden auf-
gebaut und schließlich konnte am 9. Jänner 2016 im
Rahmen der Pregames der Special Olympics auch ein
Probelauf des Healthy Athletes Programms an der FHJ
durchgeführt werden. 170 AthletInnen aus 14 Nationen
und Personen mit ID aus Betreuungseinrichtungen in
Graz nahmen daran teil. Alle Programme wurden von
internationalen SpezialistInnen – sogenannten global
Clinical Directors (CD) - begleitet. Ziel dieses Probe-
laufs war es, erste Erfahrungen mit dem Programm zu
machen, um einen reibungslosen Ablauf der Special
Olympics World Winter Games 2017 zu gewährleisten.
Das Healthy Athletes Program
Derzeit gibt es sieben Healthy Athletes Disziplinen.
Jede einzelne Disziplin arbeitet nach standardisierten
Screeningverfahren, die international entwickelt und
laufend überarbeitet werden. Zudem wird in allen Diszipli-
nen eine individuelle Schulung der AthletInnen durch-
geführt. Diese enthält neben Anleitung zu Eigenübungen
auch Beratung und Verhaltensschulung, sowie Weiter-
empfehlungen zu fachspezifischen Behandlungen.
Das Programm »Fun Fitness« erfasst die allgemeine
körperliche Leistungsfähigkeit. Dieses Programm ist von
PhysiotherapeutInnen entwickelt worden und wird auch
überwiegend von MitarbeiterInnen aus den Fachgebieten
Physiotherapie und Sportwissenschaft belegt. Im »Health
Promotion« Programm arbeiten Ärzte, DiätologInnen und
PhysiotherapeutInnen. Es werden allgemeine Parameter
der Gesundheit und des Gesundheitsverhaltens erfasst.
Ernährung, Bewegung und Parameter, die zur Leistungs-
begrenzung bezüglich Bewegung und Sport führen können,
werden untersucht. Der Funktions-und Gesundheitsstatus
der unteren Extremitäten- vor allem der Füße - wird im
Programm »Fit Feet« erhoben. Die weiteren Programme
sind der Untersuchung der grundsätzlichen medizinischen
Sporttauglichkeit (»Med Fest«) der Hör- und Sehleistung
(»Healthy Hearing«, »Opening Eyes«), sowie der Zahn-
gesundheit (»Special Smiles«) gewidmet.
Erste Erfahrungen – Ergebnis
Während der Pregames wurden die Screenings reibungslos
durchgeführt. Die vielen freiwilligen MitarbeiterInnen,
großteils Studierende der FHJ - erfüllten Ihre Arbeit mit
großer Zuwendung, fachlich exakt und kreativ im Finden
von Lösungen vor allem zur Überwindung der Sprach-
barrieren. An diesem Tag machten viele KollegInnen und
Studierende erste Erfahrungen im Umgang mit Menschen
mit ID. Vier Stunden konzentrierter Arbeit sind anstren-
gend, aber wer die Unbeschwertheit und Lebensfreude
erlebt hat, vergisst die Mühen des Tages und geht
bereichert nach Hause. Von den internationalen Beobach-
terInnen wurde ein hervorragendes Zeugnis ausgestellt.
Nicht nur waren diese erstaunt über die fachliche
Qualifikation der KollegInnen und Studierenden, die die
standardisierten Tests trotz kurzer Einschulungszeiten
korrekt und souverän umsetzen konnten, vielmehr waren
sie auch begeistert von der sozial-menschlichen Kompe-
tenz der MitarbeiterInnen und Volunteers im Healthy
Athletes Programm. Es ist gelungen, die AthletInnen
empathisch und motivierend anzusprechen, ihnen Ängste
vor klinischen Tests zu nehmen, sie auf klare und doch
heitere Art zur Mitarbeit in den Screenings und Eigen-
übungen zu führen.
Barbara Gödl-Purrer, MSc
LINKS
www.specialolympics.org www.specialolympics.org/healthy_athletes.aspx
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Barbara Gödl-Purrer, MSc