STARKE STIMME
Julia Stering, BA BA MA
physio
austria
inform
Februar 2017
33
Was Leben verändert
Kira Grünberg im Interview
Im Juli 2015 verletzt sich die damals 21-jährige Profi-Stabhochspringerin
während des Trainings schwer. Die Leistungssportlerin stürzt aus vier
Metern Höhe, kommt mit dem Hals nicht auf der weichen Matte, sondern
auf dem hinteren Ende des Einstichkastens aus Metall auf und bricht sich
den fünften Halswirbel. Die Diagnose: dauerhafte Querschnittslähmung.
Die mediale Anteilnahme – national und international – ist enorm.
Im Inform spricht sie über ihre Erfahrungen mit Physiotherapie vor und
nach dem Unfall, die Gestaltung ihres Behandlungsprogramms und ihre
Ziele für die Zukunft.
Sie arbeiten seit Jahren mit Physiothera-
peutInnen, sowohl vor Ihrem Unfall als auch
danach. Woran arbeiten Sie derzeit?
Derzeit versuchen mein Physiotherapeut und ich,
die Restfunktion meines Trizeps zu mobilisieren.
Unmittelbar nach dem Unfall hieß es, dass ich nur
mehr den Kopf bewegen können werde. Dass auch
meine Schultermuskulatur und mein Bizeps funk-
tionieren, ist natürlich schön. Ich spüre in den
Händen nur die Daumen, aber ich mache Fort-
schritte.
Welche körperlichen Leistungsziele stecken
Sie sich heute? Welche waren es damals?
Meine Ziele sind natürlich ganz andere geworden.
Damals, vor dem Unfall, waren es hauptsächlich
sportliche Steigerungen. Heute verfolge ich klei-
nere Ziele, die mein Alltagsleben erleichtern sollen
und mich selbstständig machen. Ein Ziel ist zum
Beispiel, alleine vom Bett in den Rolli überzusetzen.
Es ist sehr wichtig, wieder gewisse Dinge eigen-
ständig erledigen zu können. Das gibt einem
Selbstvertrauen und entlastet die Pfleger oder
die Familie.
Welche Ziele haben Sie unter anderem
dank der Physiotherapie bereits erreicht?
Ich kann mich heute selbst aus dem Sitz aufstützen
und habe meine Motorik generell sehr verbessert.
Als die Muskeln zum Beispiel im Bizeps wieder
ansteuerbar waren, war für mich das Schlimmste,
dass alles so unkoordiniert war. Mittlerweile kann
ich mir selbst die Zähne putzen, bestimmte
Kleidungsstücke anziehen oder beim Kochen
helfen. Auch das gehörte vor wenigen Monaten
noch zu meinen Zielen.
Welche Rolle spielt Ihr Physiotherapeut
in Ihrem Leben?
Eine sehr große Rolle. Er ist mein ständiger Be-
gleiter, da wir viel miteinander trainieren. Mit ihm
gemeinsam arbeite ich derzeit drei- bis viermal
in der Woche an meinem Trizeps, wenn es sich
zeitlich ausgeht.
Hat sich Ihre Einstellung zu physiothera-
peutischen Behandlungen nach Ihrem
Unfall verändert?
Ich habe Physiotherapie auch vorher schon für
sehr wichtig erachtet, aber natürlich hat die
Bedeutung zugenommen. Mein Trainingsprogramm
gestalten mein Physiotherapeut und ich gemein-
sam: durch Absprache und durch das Analysieren
des Istzustands.
»HEUTE VERFOLGE ICH
KLEINERE ZIELE, DIE MEIN
ALLTAGSLEBEN ERLEICHTERN
SOLLEN UND MICH SELBST-
STÄNDIG MACHEN.«