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physio
austria
inform
Februar 2013
Themenschwerpunkt
Buchbesprechung
Der Tod und der manchmal sehr beschwerli-
che Weg dorthin ist wohl ein Thema, das bei
den meisten Betroffenen Fragen auslöst,
die nicht – oder nur schwer – zu beantwor-
ten sind. Unbeantwortete Fragen bereiten
uns Unbehagen. Unsere Professionalität
und nicht zuletzt die betroffenen PatientIn-
nen und deren Angehörige fordern oft Ant-
worten auf genau diese Fragen, die »die
Gesellschaft« gerne ausklammert. Die
Tabuisierung des Themas »Tod und Sterben«
scheint ein willkommener Weg, um dieses
Unbehagen abzuwenden.
In dem Buch »Was wir noch tun können:
Rehabilitation am Lebensende, Physiothera-
pie in der Palliative Care« stellen sich die
AutorInnen diesen Fragen auf kompromiss-
lose Art und Weise und schrecken selbst
davor nicht zurück, einige Fragen unbeant-
wortet zu lassen – nicht jedoch, ohne dem
Leser die entscheidenden Impulse für seine
eigene – persönliche – Beantwortung zu
geben.
Viele Themen, die uns PhysiotherapeutIn-
nen im Alltag ständig begegnen, bedürfen
wohl in der Palliative Care eines Perspekti-
venwechsels. Problembereiche wie De-
menz, Schwäche, Angst, Schmerz, Atemnot
oder auch Motivation und Zielformulierun-
gen werden in diesem Buch aus dem Blick-
winkel der Palliative Care neu bewertet und
der neueste Stand der Wissenschaft in die-
sem Bereich erklärt. Die theoretischen fach-
lichen Hintergründe sind dabei gespickt mit
konkreten Tipps für die Umsetzung im eige-
nen Arbeitsumfeld. Auch die vielen Patien-
tInnenbeispiele helfen, das eben Gelesene
»erlebbar« und verständlich zu machen.
Anhand konkret formulierter Reflexionsfra-
gen kann man als Leser die verschiedenen
Rollen im Umfeld des Sterbens durchleben:
ob als Patient, als Angehöriger oder auch als
Therapeut.
Kommunikation spielt wohl in jeder Thera-
piesituation beziehungsweise in jeder Bezie-
hung eine wichtige Rolle. Doch gerade in der
Palliative Care stellen uns PatientInnen
immer wieder Kommunikationsfallen, in die
wir nur zu gerne hineintappen: Emotionen
wie Wut, Zorn oder Verzweiflung Betroffener
und deren Angehöriger entladen sich oft
gegen uns TherapeutInnen und laden dazu
ein, persönlich genommen zu werden. Bei
aller Professionalität lässt das wohl keinen
von uns wirklich kalt. Und das ist auch gut
so! Mit welchen Feinheiten wir Auswege aus
solchen Situationen bieten können und wie
wir die Aggression eines Angehörigen in der
Therapiesituation zu unserem Vorteil nutzen
können, vermittelt dieses Buch ebenso
verständlich wie das kleine Einmaleins der
systemischen Gesprächsführung.
Auch Themen, die sonst wenig Beachtung
finden, wie Ethik, Moral, Spiritualität oder
auch kulturelle Unterschiede im Umgang mit
dem Sterben werden durchaus kontrovers
diskutiert und beleuchtet. Obwohl die/der
PatientIn und ihr/sein Wohlbefinden gemäß
dem Buchtitel immer im Mittelpunkt bleibt,
wird auch die Verantwortung der/des Thera-
peutIn für sich selbst nie ganz aus den
Augen gelassen. Supervision wird als Teil der
professionellen Physiotherapie in der Pallia-
tive Care nicht nur erwähnt.
Das Lesen dieses Buches wird Ihre ganze
Aufmerksamkeit und Ihre vollste Konzen-
tration fordern, doch es zahlt sich aus.
Denn: (Zitat aus dem Buch)
»Die persönliche Auseinandersetzung mit
Themen wie Kommunikation, Spiritualität,
Sterben, Tod und Trauer ist, neben den
fachlichen Kompetenzen, Voraussetzung,
um gut als Physiotherapeut in der Palliativ-
versorgung arbeiten zu können.«
Dieses Buch bietet dafür den idealen
Rahmen.
Was wir noch tun können
Rehabilitation am Lebensende
Ein brandneues Buch zum Thema
Palliative Care erscheint.
Eine Empfehlung vorab.
Bernhard Gaisbauer
Bernhard Gaisbauer diplo-
mierte 2007 an der Akademie
für den physiotherapeutischen
Dienst im Wilhelminenspital in
Wien. 2006 bis 2009 betreute
er physiotherapeutisch ver-
schiedene Teams eines Wiener
American-Football-Vereins bei
Training und Wettkämpfen.
Seit 2008 arbeitet er im westli-
chen Weinviertel als mobiler
Physiotherapeut bei der Cari-
tas der Erzdiözese Wien. Die
Betreuung der PatientInnen in
ihrem eigenen häuslichen Um-
feld zählt genauso zu seinen
Aufgaben wie der Aufbau des
therapeutischen Angebotes in
dieser Region.
Nieland, Peter, Simader, Rainer,
Taylor, Jenny (Hrsg.)
Was wir noch tun können:
Rehabilitation am Lebensende.
Physiotherapie in der Palliative
Care. Elsevier GmbH |
Urban & Fischer Verlag
Erscheinungstermin der
deutschen Ausgabe: Februar 2013
Erscheinungstermin der
englischen Ausgabe: Mai 2013
ca. 270 Seiten, 47 Abbildungen
Preis
€
44,99 (D) /
€
46,30 (A)
PALLIATIVE CARE
Bernhard Gaisbauer