Im anderen Körper
Mein Statement als Transgender-Person
Die Anrede als »Frau« und Pronomen wie »sie« oder »ihr« wider-
strebten mir schon immer. In meinen Dokumenten wurde ich
ursprünglich als weiblich bezeichnet, doch so nahm ich mich
nie wahr. Ich bevorzugte schon immer, meinen Kleidungsstil
eher männlich zu halten und die Haare kurz zu tragen. Auf
öffentlichen Toiletten wurde ich oft aufgefordert, das Männer-
WC aufzusuchen. Meine Stimme war nie eine explizit weibliche;
ich nehme sie nicht wahr, weiß auch nicht, wie sie klingt oder
auf andere wirkt. Der Begriff Transidentität beschreibt das
Phänomen, dass die Geschlechtsmerkmale des Körpers von
der selbst wahrgenommenen Geschlechtsidentität abweichen.
Transidente Personen empfinden sich trotz der (noch) sichtba-
ren oder (noch) vorhandenen Körpermerkmale nicht jenem
Geschlecht zugehörig, das von der Gesellschaft mit ebenjenen
Körpermerkmalen assoziiert wird. Für mich ist Transidentität
etwas, das nur behördlichen Definitionen entspricht. Ich fühle
mich offen in meiner Geschlechtsdefinition und interpretiere
mich eher als »multi-gender«.
Erste Schritte
Meine Behördenwege in Wien waren mit viel Zeitaufwand
und Geduld verbunden, ehe meine Dokumente den für mich
richtigen Geschlechtseintrag beinhalten durften.
Mein geschlechtlicher Angleichungsprozess begann mit dem
Einholen diverser Befunde und Gutachten und dem anschlie-
ßenden Versuch, meine Dokumente aktualisiert ausgestellt zu
bekommen. Ich brachte den zuständigen Ämtern Befunde und
Gutachten aus den Bereichen der klinisch-psychologischen
Diagnostik, suchte PsychologeInnen und PsychiaterInnen auf,
um den Behörden jene Diagnosen vorlegen zu können, die
mir eine offizielle Identitätsänderung erlaubten. Ich freute mich
darauf, dass mich mein Umfeld nach der Anpassung nicht im
Geringsten mehr als Frau wahrnehmen würde.
Die Menstruation und die weiblichen primären sowie sekundä-
ren Geschlechtsmerkmale störten mich sehr. Ich wollte daher
eine Methode finden, um meinen Oberkörper flach aussehend
zu machen. Bei einer Mastektomie im Juni 2015 wurden meine
Brustdrüsen chirurgisch entfernt, sodass die übrig bleibende
Brust wie eine männliche erscheint. Davor schon trug ich ein
Kompressionshemd.
Werde ich gefragt, seit wann ich mich als Mann fühle, antworte ich nicht
»schon immer«. Eine geschlechtliche Anpassung und die damit verbundenen
Behördenwege stellen einen langen Prozess dar. Im Folgenden möchte ich
PhysiotherapeutInnen einen Einblick in mein persönliches Körperempfinden
gewähren und ihnen Empfehlungen für den Umgang mit Transgender-
Personen als PatientInnen geben.
TRANSIDENTITÄT
Anonym
physio
austria
inform
Juni 2017
13
»PHYSIOTHERAPEUTiNNEN
WERDEN MITUNTER
BEMERKEN, WENN SIE
PATIENTiNNEN MIT
TRANSSEXUELLEM
BEZIEHUNGSWEISE
TRANSIDENTEM
HINTERGRUND
VOR SICH HABEN.«