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Juni 2017

17

AUSWIRKUNGEN

Sabine Benczur-Juris

So können wir zum Beispiel auch in der physiotherapeuti-

schen Arbeit dem psychologischen Phänomen der Über-

tragung begegnen. Es kann durchaus passieren, dass

PatientInnen, die negative Erfahrungen mit Menschen

eines spezifischen Geschlechts gemacht haben, ihre Er-

fahrung übertragen, wenn TherapeutInnen des gleichen

Geschlechts mit ihnen arbeiten. Diese unbewusste Aver-

sion von PatientInnen kann einen wesentlichen Einfluss

auf den Therapieverlauf nehmen.

Gibt es neben den persönlichen Erfahrungen und Begeg-

nungen aber bereits hinreichend wissenschaftliche Litera-

tur zu der Frage nach dem Zusammenhang zwischen

erfolgreicher Physiotherapie und dem Faktor Geschlecht?

Wissenschaftliche Annäherung

Bei Männern und Frauen zeigen sich Krankheiten in unter-

schiedlichen Symptomen. Frauen gehen mit Krankheit oft

anders um als Männer. Die geschlechtsabhängigen Unter-

schiede sind teilweise augenfällig, teilweise subtil und in

vielen Bereichen noch wenig bekannt. Klinisch relevante

neue Kenntnisse sollen in die klinische Praxis Einzug

halten und zu einer männer- bzw. frauengerechten, opti-

mierten Behandlung führen. Die physiotherapeutische

Behandlung von Männern und Frauen bei gleichem Krank-

heitsbild kann sehr unterschiedlich sein. Auch beim

Erstellen von physiotherapeutischen Angeboten ist zu

beachten, für welche Zielgruppe diese gedacht sind. So

ist etwa eine »präventive Rückengruppe« für Männer an-

ders zu gestalten als für Frauen, um qualitativ das gleiche

Behandlungsergebnis zu erzielen. Sollen beide Geschlech-

ter angesprochen werden, müssen sich auch für beide

Geschlechter Aspekte darin finden.

In der wissenschaftlichen Literatur wird auch auf den

Aspekt der TherapeutInnenwahl eingegangen. Speziell

in der Frauenheilkunde wurde das Thema »Beziehung

zwischen ÄrztInnen und Patientinnen« bereits wissen-

schaftlich untersucht. Auch hier spielt die Erwartungs-

haltung an etwaige geschlechtsspezifische Eigenschaften

in Bezug auf den Therapeuten oder die Therapeutin eine

große Rolle.

Therapeutinnen wird häufig mehr Empathie und Einfüh-

lungsvermögen zugeschrieben, während Therapeuten

teilweise als kompetenter erlebt werden. Solche ver-

meintlichen Geschlechtskriterien stellen unter Um-

ständen einen Auswahlfaktor für PatientInnen dar.

Es gibt Untersuchungen darüber, welche Geschlechter-

kombination in der Therapie besonders gute Erfolge in

Therapiesituationen erzielt. Auch hier kommt die Wissen-

schaft zum Schluss, dass vor allem die Erwartungshaltung

der PatientInnen ausschlaggebend für den Erfolg der

Therapie ist.