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Es kann vorkommen, dass sich PatientInnen mit einem

anderen Geschlecht vorstellen, als auf Formularen oder

Ausweisen vermerkt ist. Bei Personen, die in meiner

Situation sind oder waren, wurde in der Regel nicht nur

der Vorname, sondern auch der Personenstand im Hin-

blick auf das formaljuristische Geschlecht geändert.

Bis 2009 war eine geschlechtsanpassende Operation

Voraussetzung für eine Personenstandsänderung. Heute

können Personenstandsänderungen viel leichter bean-

tragt werden. Es kann also auch sein, dass Frau Maier

biologisch männliche Geschlechtsteile hat, die für

PhysiotherapeutInnen in Therapiesituationen unter

Umständen erkennbar sind.

Höflich ist es, keine unangebrachten Fragen, die für

die Behandlung ohnehin irrelevant sind, zu stellen. Eine

despektierliche Rede über eine Transgender-Person –

sowohl in ihrer An- als auch in ihrer Abwesenheit – wie

zum Beispiel eine Bezeichnung der Person als Neutrum

(»es«), ist in jedem Fall zu vermeiden. Unter Umständen

ist es für PatientInnen unangenehm, sich zu entkleiden –

zum Beispiel aufgrund von getragenen Epithesen oder

Miederkleidung. Es ist wichtig, dass PhysiotherapeutIn-

nen gut aufklären, wozu das Ablegen von Kleidung

notwendig ist.

PhysiotherapeutInnen werden mitunter bemerken, wenn

sie PatientInnen mit transsexuellem beziehungsweise

transidentem Hintergrund vor sich haben, zumal dies

nicht zuletzt an der Körperstruktur erkennbar sein kann.

Durch Hormontherapien kann sich das menschliche

Gewebe stark verändern. Kraft, die ein Muskel vor dieser

Therapie aufwenden konnte, muss im Anschluss an

die Hormontherapie nicht mehr in ursprünglicher Form

gegeben sein. Sowohl bei Frauen als auch bei Männern

mit transsexuellem beziehungsweise transidentem

Hintergrund kann sich die Statur oder Muskelkraft unter

Umständen ändern. Wie in allen Lebenssituationen ist

Respekt am wichtigsten: Bitte seien Sie aufgeschlossen

und agieren Sie einfühlsam und mit Bedacht – wie im

Umgang mit allen anderen PatientInnen auch.

physio

austria

inform

Juni 2017

15

Ich heiße Manou und lebe in Deutschland.

Bis 2012 habe ich so gelebt, dass ich für einen

Mann gehalten wurde, um die Erwartungen

meiner Mitmenschen zu erfüllen. Ich wurde in

den 50er-Jahren geboren und hegte immer

den Wunsch, die Rolle zu wechseln: Ich hatte

lange nicht die Kraft dazu.

Die Angst, meine glückliche Familie zu zer-

stören, war einfach zu groß. Meine Familie

besteht aus meiner Frau, die damals einen

jungen Mann geheiratet hatte, und meinen

beiden erwachsenen Kindern. Ich entschied

mich, meinen Körper durch eine Hormonthera-

pie weiblicher zu machen. Bis auf sehr wenige

Ausnahmen habe ich nur positive Erfahrungen

damit gemacht, offen zu meiner Transidentität

zu stehen.

Meine Frau war mir immer eine große Stütze.

Ohne sie könnte ich nicht so glücklich und

ausgeglichen leben, wie ich es heute tue. Jede

Transgender-Person trägt ihre eigene, individu-

elle Geschichte mit sich. Es gibt wohl so viele

Entwicklungen wie es Transgender-Personen

gibt. Keinesfalls lassen alle Transgender-

Personen geschlechtsangleichende Operatio-

nen vornehmen. Die Operationen enden oft

mit Komplikationen, zumal auch das Ergebnis

kein zufriedenstellendes sein muss.

Zu PhysiotherapeutInnen hatte ich mehrfach

Kontakt. In den Therapiesituationen wurde ich

stets korrekt und respektvoll behandelt.

Sie haben Fragen, die Ihnen im Kopf herum-

geistern und die Sie mir stellen möchten?

Ich antworte gerne.

manou.re@web.de

TRANSIDENTITÄT

Anonym

Anonym

Der Autor wohnt

in Wien und ist

26 Jahre alt.