physio
austria
inform
April 2017
37
ESSSTÖRUNGEN
Dr. Ursula Danner, MSc
Zur Anwendung kommen vor allem funktionelle und manuelle
Therapie sowie Bewegungs- und Trainingstherapie. Einige
PhysiotherapeutInnen lassen außerdem folgende Elemente
einfließen:
°
psychologische Ansätze wie Entspannungstechniken
(Anzahl der TherapeutInnen n=3) und Achtsamkeits-
training (n=1) bzw. Techniken aus der Verhaltens-
therapie (n=1)
°
Schulung zum Bewegungsverhalten und zum
Verstehen von körperlichen Symptomen (n=2)
°
Basic Body Awareness Therapy, ein in Skandinavien
entwickeltes Physiotherapie-Konzept zur Veränderung
von Bewegungsmustern (n=7).
Als Messinstrumente werden die Body Awareness Rating
Scale (n=5) und der Body Attitude Test (n=2) am häufigsten
verwendet. 73 Prozent der Befragten stufen die Wichtigkeit
von PhysiotherapeutInnen bei Bewegungsprogrammen für
ED als sehr hoch ein. Als größte Hindernisse für PatientInnen
mit ED in der Therapie werden folgende Punkte angegeben:
zwanghaftes Bewegen, negative Einstellung zum Körper,
niedriger Selbstwert, Schamgefühle und mangelnde Selbst-
akzeptanz. Die StudienteilnehmerInnen berichten, dass
physiotherapeutische Behandlungen eine große Bandbreite
an positiven Einflüssen für die Betroffenen darstellen wie die
Verbesserung der Körperwahrnehmung, des Körperbildes und
des Selbstwertes sowie des Verständnisses für ein gesundes
Bewegungsverhalten.
Kommentar
Die vorliegende Studie gibt einen wichtigen Einblick in die
Arbeit von PhysiotherapeutInnen, die PatientInnen mit ED
behandeln. Die geringe Anzahl an TeilnehmerInnen an der
international ausgeschriebenen Erhebung zeigt, dass die
Entwicklung der Physiotherapie im Bereich der ED noch am
Anfang steht. Außerdem ist zu beachten, dass die Ergebnisse
aufgrund der überdurchschnittlich hohen Teilnahme von Phy-
siotherapeutInnen aus nordeuropäischen Ländern nicht die
Situation in anderen Ländern widerspiegeln. Möglicherweise
deutet die verstärkte Studienteilnahme in Nordeuropa auf
eine größere Bereitschaft zu evidenzbasierter Physiotherapie
im Bereich Mental Health hin. Daraus ist jedoch nicht zu
schließen, dass beispielsweise in Österreich keine qualitativ
hochwertigen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
angewendet werden. Es besteht jedoch Bedarf, diese anhand
wissenschaftlicher Kriterien zu überprüfen.
Inzwischen haben andere Berufsgruppen wie PsychologInnen
und PflgegewissenschaftlerInnen Teile dieses Bereiches in
ihren Studien aufgegriffen und weiterentwickelt. Doch sollten
die PhysiotherapeutInnen als ExpertInnen für Bewegung und
körperliches Erleben ihre Erkenntnisse im Bereich von Mental
Health und im Speziellen der ED evidenzbasiert verankern
und erweitern. Dies wäre ein wichtiger Grundstein für die
Optimierung der Versorgung von Menschen mit ED und für
die Mitgestaltung von Präventionsmaßnahmen bzw. eines
gesunden Lifestyles - angepasst an die jeweilige Kultur(en-
Vielfalt).
◼
LITERATUR:
Friis S, Skatteboe UB, Hope MK,
Vaglum P. Body awareness group
therapy for patients with personality
disorders. 2. Evaluation of the Body
Awareness Rating Scale. Psychother
Psychosom. 1989;51(1):18-24.
Probst M, Vandereycken W, Van
Coppenolle H, Vanderlinden J. The
Body Attitude Test for patients with
an eating disorder: Psychometric
characteristics of a new question-
naire. Eating Disorders: The Journal
of Treatment & Prevention, Vol 3(2),
1995, 133-144.
KURSANKÜNDIGUNG
Wissenschaft in der Praxis –
Eine anwendungsorientierte Einführung
NEUER TERMIN!
9. bis 10. Juni 2017
Wien, Physio Austria Kurszentrum
Gudrun Diermayr, MA, PhD