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physio
austria
inform
April 2016
Themenschwerpunkt
Physiotherapie in Sport und Orthopädie
Physiotherapeutischer Ansatz
Wenn wir CrossFit-AthletInnen bei uns in der
Therapie sehen, müssen wir neben unserer physiothera-
peutischen Basisbefunderhebung auch eine Analyse der
CrossFit-bezogenen Bewegungsmuster einbeziehen. Da
CrossFit einen großen Schwerpunkt auf Übungen setzt,
die Full-Range-of-Motion in vielen Gelenken erfordern,
ist es wichtiger denn je, in der Befundung einen genauen
Blick auf die gesamte kinetische Kette zu werfen. Wenn
jemand limitierte Beweglichkeit in den Sprunggelenken,
Defizite in Hüft- und Rumpfstabilität, eingeschränkte
BWS-Extension oder unzureichende Scapulastabilität
aufweist, ist es beispielsweise erheblich schwieriger,
ein schweres Gewicht in eine gute Überkopf-Position zu
bringen. Somit können Schulterschmerzen bei Gewicht-
hebetechniken wie dem Reißen (»Snatch«) auch durch
verringerte Dorsalextension im Sprunggelenk zustande
kommen. Niemand ist besser geeignet, diese komplexen
Zusammenhänge zu identifizieren, als wir Physiothera-
peutInnen. Durch Anpassung des Verhältnisses von
struktureller Belastung versus Belastbarkeit, dem Behe-
ben von Mobilitätseinschränkungen und dem Verbessern
neuromuskulärer Skills müssen wir zielorientiert einen
graduellen Return-to-CrossFit unserer PatientInnen an-
streben. Andererseits sollten wir CrossFit unbedingt als
Alternative zum herkömmlichen Fitnesscenter sehen,
um damit unseren PatientInnen nach der sportphysio-
therapeutischen Reha ein sinnvolles Transferprogramm
anbieten zu können. Eine konsequente Weiterentwick-
lung der athletischen Fähigkeiten am Weg zu einem
sicheren Return-to-Sport, beispielsweise nach ACL-Re-
konstruktion, ist absolut unverzichtbar (Bien & Dubuque,
2015). Wir dürfen unsere AthletInnen dabei aber nur
in die Hände von Coaches geben, die die CrossFit-
Methodologie hoch-qualifiziert und verantwortungs-
bewusst umsetzen.
Andreas Sperl, BSc, Sebastian Rieder, Alexander Baillou
FITNESS
Andreas Sperl, BSc, Sebastian Rieder, Alexander Baillou
Q&A mit
Sebastian Rieder
It’s all about the coach!
Sebastian Rieder ist Head-Coach von CrossFit-
Vienna und einziger Certified CrossFit® Level 4
Trainer in Europa.
Basti, was macht für dich einen guten,
verantwortungsvollen CF-Coach aus?
Für einen guten CrossFit-Coach ist fachliches
Wissen natürlich von großem Nutzen, aber noch
viel wichtiger ist es Bewegungen zu verstehen, um
Fehler rasch erkennen und ausbessern zu können.
Um den Trainingsreiz zu optimieren und Verletzun-
gen vorzubeugen muss der Trainer das Gewicht
und die Trainingsintensität individuell anpassen.
Ebenso essentiell ist die Kenntnis von methodi-
schen Übungsreihen für Sportler, die komplexere
Bewegungen noch nicht korrekt ausführen können.
Wer beispielsweise eine Kniebeuge gut erklären
kann, lernt die Fehler zu erkennen und rasch
zu korrigieren. Dem traue ich zu, dies auch bei
anderen Übungen erfolgreich zu meistern.
Ein Tipp für angehende Coaches ist es, sich seiner
Fähigkeiten und auch Grenzen bewusst zu sein.
Am besten startet man mit 1-on-1-Coaching,
einfachen Übungen und baut dann langsam seine
Fähigkeit, Gruppen und komplexere Bewegungen
zu unterrichten, aus.
Abbruchkriterien sollten in einem Workout so nicht
wirklich vorkommen, da man als Coach schon im
Vorfeld die richtige Skalierung und Übungsauswahl
für jeden gefunden haben sollte. Wenn jemand in
einem Workout auf Grund der Intensität nicht mehr
adäquat arbeitet, muss das Gewicht und/oder
die Geschwindigkeit reduziert werden, bis die Be-
wegung den gewünschten Standards entspricht.
Ein ganz essentieller Aspekt des Trainings ist es,
zuerst einmal die Bewegungen technisch korrekt
ausführen zu können und dann erst graduell
die Intensität zu erhöhen.
Schmerzhafte Bewegungen sind generell zu
vermeiden und durch Übungen zu ersetzen,
die einem ähnlichen Ziel dienen, aber keine
Schmerzen bereiten.
LITERATUR
Bien, D. P., & Dubuque,
T. J. (2015). Considera-
tions For Late Stage
ACL Rehabilitation And
Return To Sport To
Limit Re-Injury Risk
And Maximize Athletic
Performance. Interna-
tional Journal of Sports
Physical Therapy,
10(2), 256-271.
Hak, P. T., Hodzovic, E.,
& Hickey, B. (2013).
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Strength Cond Res
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Heinrich, K. M., Patel,
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High-intensity compa-
red to moderate-
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Hespanhol Junior, L. C.,
Pena Costa, L. O., &
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Previous injuries and
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59(4), 263-269.
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