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September 2017
Physio
Studien
Neben einzelnen Studien bedürfen auch andere
Publikationen einer kritischen Auseinanderset-
zung. Die thematisierte nationale Versorgungs-
leitlinie NVL Deutschlands stellt die aktuelle,
evidenzbasierte Vorgehensweise im Rahmen
der Diagnostik und nichtmedikamentösen sowie
medikamentösen Versorgung von unspezifischen
Rückenschmerzen dar.
Hintergrund
Nach wie vor gelten Rückenschmerzen weltweit als das
am häufigsten einschränkende Syndrom. Trotz mannig-
faltiger Diagnose- und Behandlungsansätze verursa-
chen diese Beschwerden unverhältnismäßig hohe
Kosten für das Gesundheitssystem. Paradoxerweise
besteht gleichzeitig eine exponentielle Zunahme an
persistierenden Zuständen.
Leitlinie
Bei medizinischen Leitlinien handelt es sich um syste-
matisch entwickelte Feststellungen, welche in der
Regel einem evidenzbasierten und transparenten
Entwicklungsprozess – jedoch im Gegensatz zu einer
Richtlinie – keiner Normierung (auch im juristischen
Sinne) unterliegen. Dies ist mitunter ein Grund für die
teilweise unterschiedliche Qualität und auch die dem-
entsprechend vernachlässigte Anwendung durch
ÄrztInnen oder TherapeutInnen. Bei der vorliegenden
NVL handelt es sich um eine sogenannte S3-Leitline,
was – hinsichtlich der Systematik und Entwicklungs-
methodik – die höchste Qualitätsstufe bedeutet.
Mit der vorliegenden Leitlinie setzte man sich
folgende Ziele:
°
Empfehlungen zu diagnostischen und
therapeutischen Aspekten
°
Empfehlungen zu multiprofessioneller Koordina-
tion und Abstimmung im Rahmen der Versorgung
°
Multiprofessionelle und interdisziplinäre Ver-
breitung und Umsetzung der Empfehlungen
°
Integration und Berücksichtigung der NVL-
Empfehlungen in die ärztliche Aus-, Fort- und
Weiterbildung, Qualitätsmanagementsysteme
sowie in Verträge zur integrierten Versorgung
oder strukturierten Behandlungsprogrammen
°
Multidimensionale gemeinsame Entscheidungs-
findung durch qualitativ hochwertige Edukation
und Entscheidungshilfen
Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV),
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF).
Nationale Versorgungsleitlinie Nicht-spezifischer Kreuzschmerz – Langfassung, 2. Auflage.
Version 1. 2017.
: für Sie
EINE AKTUELLE WISSENSCHAFTLICHE
STUDIE MIT ERLÄUTERNDEM KOMMENTAR
Studiert und kommentiert
Nationale Versorgungsleitlinie
Nicht-spezifischer Kreuzschmerz
Unspezifischer Rückenschmerz
Diese Schmerzen im Bereich der unteren
Wirbelsäule, für die keine eindeutige medi-
zinische bzw. strukturelle Ursache festge-
macht werden kann, werden häufig auch
als mechanische oder haltungs- bzw. bewe-
gungsabhängige Rückenschmerzen bezeich-
net. Sie sind klar von spezifischen Ursachen
abzugrenzen, die in etwa in ein bis zehn
Prozent aller Beschwerdefälle vorliegen.
Dazu zählen z. B. ein malignes Tumorge-
schehen oder Metastasen, Frakturen,
radikuläre Läsionen (inklusive neurologi-
scher Defizitsymptome) oder etwa eine
Discitis. Somit ist der unspezifische Rücken-
schmerz die häufigste Form von Beschwer-
den in dieser Körperregion und ist in der
Regel innerhalb von vier bis sechs Wochen
bei adäquater Versorgung selbstlimitierend.
Trotzdem zeigen bis zu zehn Prozent der
Betroffenen nach einem halben Jahr das Bild
einer Chronifizierung.