Zentrales Prinzip der EBM
Nun haben nicht alle Studien die gleiche Aussagekraft.
Manche Studien sind grundsätzlich anfälliger für Fehler
als andere. Diese Tatsache findet Niederschlag in der
Evidenzhierarchie (Abb. 2). Die Evidenzhierarchie ist das
zentrale Prinzip der EBM. In der Evidenzhierarchie wer-
den Informationsquellen hinsichtlich ihres Risikos für
Bias hierarchisch angeordnet. In der Regel gilt, dass Stu-
dien, die weiter oben gereiht sind, weniger anfällig sind
für Fehler als Informationen aus den unteren Etagen.
Die Aufgabe der KlinikerInnen ist es, die vorhandenen
Informationen (aus Studien und aus der eigenen klini-
schen Erfahrung) in Bezug auf die Anwendbarkeit auf
die konkreten PatientInnen zu prüfen. Dieser Prozess
der evidenzbasierten Praxis wird nachfolgend illustriert.
Evidenzbasierte Medizin –
Evidenzbasierte Praxis
Integrale Bestandteile der
modernen Physiotherapie
EBM beruht auf drei Pfeilern: klinische Erfahrung, Erwar-
tungen und Präferenzen der PatientInnen sowie externe
Evidenz (siehe Abb. 1). Im Unterschied zur traditionellen
Medizin, die lediglich auf den ersten beiden Pfeilern auf-
baut, nutzt die EBM auch Ergebnisse aus Studien, um di-
agnostische und therapeutische Entscheidungen zu
treffen. Seit den Anfängen der EBM wird betont, dass
diese drei Pfeiler gleich zu gewichten sind. Zentrales Ar-
gument für die Verwendung von Studienergebnissen in
der Praxis ist die Tatsache, dass menschliche Erfahrung
fehleranfällig ist: Wir sehen, was wir sehen wollen. Wenn
wir an die Wirksamkeit unserer Therapie glauben, sind wir
geneigt, positive Wirkungen wahrzunehmen, unabhängig
davon, ob diese tatsächlich vorhanden sind oder nicht.
Um diese Tendenz in unserer Wahrnehmung auszuglei-
chen und um zu zeigen, welche Interventionen tatsäch-
lich (und nicht nur zufällig oder unspezifisch) wirken,
werden Studien durchgeführt. Im Unterschied zur Klinik,
wo einE PatientIn mit einer Pathologie behandelt wird,
werden in Studien viele ähnliche PatientInnen mit einer
Pathologie behandelt. Als Ergebnis erhält man die durch-
schnittliche Wirkung einer Behandlung. Man kann dann
voraussagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Be-
handlung in einer bestimmten Gruppe von PatientInnen
wirkt oder eben nicht wirkt. In diesem Sinne informieren
uns Studienergebnisse über den wahrscheinlichen Erfolg
einer Behandlung.
Fokus
Qualität
Der Begriff evidenzbasierte Medizin (EBM) ist seit seiner formalen
Einführung 1992 zu einem Schlagwort geworden in der Medizin.
Von vielen Stellen wird gefordert, dass medizinisches Personal
seine Praxis an der aktuell besten Evidenz ausrichtet. In Studien
wurde jedoch gezeigt, dass evidenzbasierte Praxis u.a. durch
fehlendes Wissen über EBM behindert wird.
Bias
°
ein systematischer Fehler oder eine
systematische Abweichung von der Wahrheit
°
bezieht sich auf den Vorgang des Messens
oder Beobachtens
°
Beispiel Beobachterbias:
Die Tendenz, neue Informationen so zu
interpretieren, dass sie mit unseren Theorien
und Überzeugungen vereinbar sind.
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physio
austria
inform
September 2017
KURSANKÜNDIGUNG
Einführung in die Evidenzbasierte Medizin
9. Oktober 2017
Wien, Physio Austria Kurszentrum
Mag. Christoph Thalhamer, BSc
ABB 1
Drei Pfeiler der evidenzbasierten Medizin
(mod. nach Strauss et al. 2011) © T.Berger 2017
ABB 2
Neueste Version der
Evidenzhierarchie
(nach Murad et al. 2016)
© T.Berger 2017