

Das ICU-Delir
»Neben der Spur« auf der Intensivstation
Physiotherapie im Rahmen des PAD-Managements
Physiotherapie auf der Intensivstation ist eine wesent-
liche Säule der Frührehabilitation. Durch sie werden
zielgerichtete, genau an die PatientInnen angepasste
Maßnahmen im Rahmen eines interprofessionellen
Behandlungskonzepts umgesetzt (z. B. ABCDEF-Bundle).
Wesentliche Eckpunkte eines solchen Konzepts sind
°
das Erkennen und Behandeln von Schmerzen
und Delir,
°
die oberflächliche Analgesie und Symptom-
kontrolle in Kombination mit regelmäßigen
Spontanatemversuchen,
°
die zielgerichtete Auswahl der optimalen
Analgesie (und evtl. Sedierung),
°
die Frühmobilisierung sowie frühzeitige
Bewegungstherapie (beginnend mit passiven
Maßnahmen) und
°
das Einbeziehen der Familie.
Das ICU-Delir wird häufig übersehen, vor allem das hypo-
aktive Delir. Somit ist es wichtig, geeignete Assessments
zum Erkennen, Behandeln und Vermeiden des Delirs ein-
zusetzen. Nach momentanem Wissensstand eignet sich
das sogenannte PAD-Management (PAD: Pain, Agitation
and Delir) am besten, da die Schmerzwahrnehmung
einen wesentlichen Anteil an der Entstehung eines Delirs
hat. Zum Einsatz kommen die in Tabelle 1 angeführten
Assessments. Die Angaben sind zwar praxisorientiert
aufgebaut, dennoch benötigt der/die behandelnde
PhysiotherapeutIn aber zusätzlich Übung, um die Inten-
sivpatientInnen einschätzen und die notwendigen
Therapieschritte planen zu können.
Die physiotherapeutische Arbeit mit Intensivpa-
tientInnen etablierte sich erst in den letzten Jahren
und kristallisiert sich als eine sehr spezifische
Nische mit großem Entwicklungspotenzial heraus.
Themenschwerpunkt
Mental Health und Physiotherapie
ICU-Delir als Grund für negatives Outcome
Delir bedeutet wörtlich »neben der Spur sein«
und ist per Definition ein ätiologisch unspezifi-
sches hirnorganisches Syndrom mit Störungen
des Bewusstseins und der Aufmerksamkeit,
der Wahrnehmung, des Denkens, des Gedächt-
nisses, der Psychomotorik, der Emotionalität
und des Schlaf-Wach-Rhythmus. In Verbindung
mit den kritisch kranken PatientInnen auf der
Intensivstation (Intensive Care Unit, ICU) spricht
man vom ICU-Delir, wobei das hyperaktive Delir
vom hypoaktiven Delir und deren Mischform
unterschieden wird.
Die Inzidenz beträgt bis zu 80 Prozent bei
beatmeten und bis zu 40 Prozent bei nicht
beatmeten ICU-PatientInnen. Die Folgen des
ICU-Delirs sind eine Verlängerung der Aufenthalts-
zeit auf der Intensivstation sowie der Beatmungs-
zeit. Ebenso erhöht sich die Ein-Jahres-Mortalität
(1YM) und es kommt zu negativen Auswirkungen
in Bezug auf die kognitiven Fähigkeiten, die frühe
Pflegebedürftigkeit und das Auftreten einer
Demenz. Die wesentliche Bedeutung für das
spätere Leben zeigt sich unter Umständen auch
in Form einer posttraumatischen Belastungs-
störung.
Das ICU-Delir auf der Intensivstation ist somit
einer der größten Einflussfaktoren auf ein
negatives Outcome.
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September 2017