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physio
austria
inform
September 2015
Themenschwerpunkt
Physiotherapie International
ExpertInnen unter sich
Über die hohe Professionalität und fachliche Kompetenz
der Focused Symposia beim WCPT-Kongress 2015
Die Focused Symposia beim diesjährigen Kongress des
Weltverbands der Physiotherapie (WCPT) waren sehr gut
organisiert und die Vorträge gut aufeinander abgestimmt.
Bei den Focused Symposia zu Low Back Pain und über
Impingement wurden jeweils drei verschiedene Thera-
pieansätze, die jeweils gut mit Evidenz belegt sind, zu
dem gleichen Thema präsentiert und im Anschluss die
Synthese daraus gezogen.
Impingement
Karen Ginn aus Großbritannien wählte den Zugang über
ein mehrstufiges Training der Rotatorenmanschette. Sie
konnte nachweisen, dass der entscheidende Punkt eine
gut koordinierte Kokontraktion aller vier Muskeln ist, um
sicherzustellen, dass der Humeruskopf bei jeder mögli-
chen Bewegung gut zentriert bleibt. Dies belegte sie mit
Studien, die zeigten, dass alle vier Rotatorenmanschet-
tenmuskeln sowohl bei Flexion, Extension als auch Ab-
duktion aktiv sind, aber die Stärke der Anspannung sich
je nach Bewegung änderte. Im Anschluss erörterte Ann
Cools aus Belgien, dass es in der Literatur einen großen
Zusammenhang zwischen Scapula Instabilität und Schul-
terschmerzen gibt und wählte daher für ihren Therapie-
ansatz die Stabilisierung der Scapula als wichtigstes
Element. Sie unterschied dabei stark verkürzt zusam-
mengefasst Übungen, die in Richtung mehr Flexibilität
gehen, von Übungen, die eine Verbesserung der Scapu-
lastabilität durch verbesserte Muskelkontrolle und Kraft
bewirken. Als letzten Therapieansatz präsentierte Jean-
Sébastien Roy aus Kanada ein Modell, das als Ziel eine
Neuprogrammierung des durch Schulterschmerz verän-
derten Motokortex hat. Um dies zu bewirken hat er ein
sechsstufiges Modell entwickelt, das sich vor allem auf
schmerzfreie sehr gut kontrollierte Bewegungen ab-
stützt. In den ersten Stufen setzt er sehr viel Feedback
ein, das mit der Zeit sukzessive abgebaut wird. Interes-
sant war seine Aussage, dass er den PatientInnen keine
fixe Wiederholungszahl vorgibt, sondern diese von der
Bewegungsqualität abhängig variiert.
Zusammenfassend kann man sagen, dass diese drei
eigentlich gut bekannten Therapieansätze zwar auf den
ersten Blick unterschiedlich aussehen, sich in der
Praxis jedoch gut kombinieren lassen. So benötigt z.B.
eine freie horizontale Rotation, wie sie Ginn in ihrem
Programm hatte, eine gut stabilisierte Scapula und er-
zeugt dann, wenn die Bewegung schmerz- und fehler-
frei ausgeführt wird, eine positive Neuprogrammierung
des Motokortex. In der anschließenden Diskussion
wurde thematisiert, dass es noch immer zu wenig
Evidenz zum Thema Manualtherapie und Schulter gibt.
Cools meinte dazu, dass sie zwar im klinischen Alltag
gerne und mit großem Erfolg Manualtherapie einsetzt,
als Wissenschaftlerin aber sagen muss, dass sie
eigentlich dafür zu wenig Evidenz hat. Die Aufforderung
von Ginn an uns ManualtherapeutInnen war daher:
»Bringt uns Evidenz und bringt sie schnell!«
Ein vielleicht zukunftsweisender Ansatz von Ginn war,
dass aufgrund des in der Literatur nicht belegten Zu-
sammenhanges von Schmerz und MRI-Ergebnissen
wie z.B. Rotatorenmanschetten-Rissen und deren
Größe, sowie einer Vielzahl von nicht aussagekräftiger
Schultertests wir den Begriff des »Nichtspezifischen
Schulterschmerzes« einführen sollten.
Low Back Pain
Ziel des Low Back Pain Symposiums war, verschiedene
Zugänge zum Thema Subgruppenbildung zu präsentie-
ren und daraus die Synthese zu ziehen. Jonathan C Hill
aus Großbritannien präsentierte das für Low Back Pain
validierte STarT Back Screening Tool, bei dem mit neun
Fragen eine Risikoabschätzung betrieben wird, anhand
derer die PatientInnen in drei Gruppen - geringes, mitt-
leres und hohes Risiko - eingeteilt werden. Die für die
Physiotherapie wichtigste Gruppe ist laut seiner Aus-
sage die Gruppe mit mittlerem Risiko. Bei der ersten
Gruppe betonte er, dass das Hauptaugenmerk darauf
zu legen ist, die PatientInnen nicht ȟberzutherapie-
ren«. Für die High Risk Gruppe stellte er die Hypothese
auf, dass hier zuerst die Psychotherapie im Vorder-
grund steht.
John D. Childs USA wählt für seine Subgruppenein-
teilung die Therapiewirkung und verfolgt dabei einen
eher »robusten« Zugang.
SYMPOSIA
Heimo Just, MSc
© Gerald Bachinger
Erratum
zum Beitrag: Angelika Brugger, »Gemeinsam zum
Ziel. Wo liegen die individuellen und organisatori-
schen Herausforderungen?«
In: inform 3 (2015)
Die korrekte Autorinnenbezeichnung für diesen
Beitrag lautet:
Angelika Brugger, BSc