

physio
austria
inform
September 2015
31
PhysiotherapeutInnen sind durch die Kombination
ihrer Expertise im Bereich des Bewegungsappara-
tes und der Ausbildung in nahezu allen klinischen
Fachbereichen in der Lage, Erkrankungen, die oft
auf den ersten Blick nicht offensichtlich sind,
früh zu erkennen.
Das Berufsbild Physiotherapie umfasst neben Therapie
und Rehabilitation auch Prävention und Gesundheits-
förderung. So ist in Österreich für Physiotherapie im
Rahmen einer präventiven oder gesundheitsfördernden
Maßnahme konform der derzeitigen Gesetzeslage keine
ärztliche Verordnung notwendig. Wird eine Erkrankung
festgestellt, entscheidet der/die PhysiotherapeutIn
aber, dass ein Arztbesuch vor einer Intervention erfor-
derlich ist. Diese Empfehlung eines Besuchs beim Fach-
arzt an den/die PatientIn oder KlientIn ist dann der
weitere notwendige Schritt zu einer gesicherten ärzt-
lichen Diagnose, aufgrund derer eine gezielte Therapie
verordnet und durchgeführt werden kann. Dies ist für
den/die PatientIn ein Vorteil, da eine ernsthafte Erkran-
kung so früh – und somit in vielen Fällen rechtzeitig -
erkannt wird und behandelt werden kann. Nicht zuletzt
trägt hier bei, dass PhysiotherapeutInnen oft mehr
Zeit mit dem/r Einzelnen zur Verfügung steht, als den
ÄrztInnen.
Rote Fahnen hoch
Am Anfang jeder Behandlung stehen die Anamnese und
Befunderhebung, zur Einschätzung von Risikofaktoren
und funktionellen Fähigkeiten oft Assessments als Tools.
Diese dienen auch der Überprüfung des Behandlungs-
fortschrittes und variieren innerhalb der klinischen
Fachbereiche. Rückenschmerzen sind ein Symptom
des Bewegungsmangels unserer Gesellschaft, manches
Mal spielt aber auch eine Depression oder andere
psychische Erkrankung bei der Manifestation derselben
eine Rolle. Um bei Rückenscherzen differenzieren und
eine ernsthafte Erkrankung rechtzeitig erkennen zu
können, sollten sich PhysiotherapeutInnen standardisiert
an den sogenannten »Red Flags« orientieren.
Gelbe Flaggen gehisst
Der Abklärung und Erkennung von Warnsignalen für
die Chronifizierung von Rückenschmerzen dienen
die sogenannten »Yellow Flags«. Hier spielen oft
psychosoziale Faktoren eine wichtige Rolle.
Erste Hinweise auf Erkrankungen im neurologischen
Bereich (z.B. Multiple Sklerose, Amyotrophe Lateral-
sklerose u.a.) finden sich oft in einem scheinbar
unerklärbaren Kraftverlust oder einem scheinbar
unerklärbaren Koordinationsdefizit. Im Bereich der
Traumatologie kommt häufig die Palpation der Venen-
druckpunkte zum Einsatz, um hier eine Thrombose –
die bekanntlich zum Tod führen kann – frühzeitig zu
Erkennen.
Früherkennung bei Kindern
Bei Kindern wäre wünschenswert, dass Physiothera-
peutInnen bereits im Zuge der Mutter-Kind-Pass
Untersuchung Screenings durchführen, um hier eben-
falls einen Beitrag zur Früherkennung von Entwick-
lungsverzögerungen im motorischen Bereich leisten
zu können. Im Kindergarten- und Schulalter sind es
häufig Fehlhaltungen, die später zu manifesten
Schäden am Bewegungsapparat führen, welchen
durch eine rechtzeitiges Erkennen und frühzeitige
Intervention entgegengewirkt werden könnte.
Dies macht deutlich, dass PhysiotherapeutInnen einen
insgesamt wesentlichen Beitrag zu Früherkennung
zahlreicher Erkrankungen leisten können. Es ist
wünschenswert, diese Ressource seitens der Politik
im Bereich von Vorsorgeuntersuchungsprogrammen
zu etablieren und auch zu finanzieren, da davon
ausgegangen werden darf, dass so nicht nur das
Fortschreiten von Erkrankungen sondern auch Folge-
kosten reduziert werden könnten.
Constance Schlegl
Der frühe Vogel
fängt den Wurm
Ein wesentlicher Beitrag der Physiotherapie:
Früherkennung von Erkrankungen
»PHYSIOTHERAPEUTiNNEN
KÖNNEN EINEN WESENTLICHEN
BEITRAG ZUR FRÜHERKENNUNG
ZAHLREICHER ERKRANKUNGEN
LEISTEN.«
FRÜHERKENNUNG
Constance Schlegl
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