Jugendliche geben GAAS –
ein interdisziplinäres Miteinander
Jugendliche stärken ihre Gesundheitskompetenz unterstützt durch mobile
Jugendarbeit Nordrand, Produktionsschule spacelab, Diätologie, Ernährungs-
wissenschaft, Physiotherapie und soziale Arbeit (Universität Wien und FH
St. Pölten). Der Name des Projekt leitet sich von dessen Schwerpunkten ab:
zur Förderung der
G
esundheitskompetenzen von Jugendlichen, die sich nicht
in
A
usbildung,
A
rbeit oder
S
chulung befinden.
Um gesundheitlicher Chancenungleichheit entgegenzu-
wirken, konzentriert sich das Projekt GAAS auf Jugend-
liche im NEET-Status (not in education, employment or
training). Laut Bacher et al. (2014) zählten in Österreich
in den Jahren 2006 bis 2011 im Durchschnitt 8,6 Pro-
zent, das sind 78.000 der 16- bis 24-Jährigen, zu dieser
Gruppe. Eine IST-Analyse zu Beginn des Projekts erhob
Daten zum Ernährungs- und Bewegungsverhalten und
zu den Bedürfnissen der Zielgruppe. Die 53 teilnehmen-
den Jugendlichen erreichten, so das Ergebnis, die Emp-
fehlungen zur gesundheitswirksamen Bewegung von
mindestens sieben Stunden pro Woche nicht. Basierend
darauf gestalteten Studierende der Physiotherapie,
Diätologie und Ernährungswissenschaft über sechs
Monate lang gesundheitsfördernde Interventionstage
mit Jugendlichen in Wien und St. Pölten. Das Projekt
wird durch den Fonds Gesundes Österreich, den nieder-
österreichischen Gesundheits- und Sozialfonds sowie
die Initiative »Tut gut« gefördert.
Zielgruppengerecht, partizipativ und nachhaltig
Die Kommunikation mit den Jugendlichen erfolgte, auch
dank praktischer Übungen, auf Augenhöhe. Da die IST-
Analyse ein ungünstiges Trinkverhalten der Jugendlichen
aufzeigte (z. B. hoher Energydrinkkonsum), entwickelten
die Jugendlichen in diesem Projekt ein Getränk (Frizz-
tea) als Gesundheits-Kommunikationstool aus der eige-
nen Lebenswelt. Anhand von Infographics am Etikett
gibt das Getränk Informationen zu gesundem Trinkver-
halten an Jugendliche weiter. Zur Schulung von Multipli-
katorInnen entwickelte sich aus dem Projekt außerdem
ein ernährungsspezifischer Lehrgang. Das Projekt
wurde mit dem Wiener Gesundheitspreis (1. Platz)
ausgezeichnet.
Geschlechterspezifische Besonderheiten
Anita Kiselka betreute als Dozentin die Physiotherapie-
Studierenden der FH St. Pölten bei ihrer Arbeit mit den
Jugendlichen und vermittelt in einem neuen Lehrgang
Bewegungsdidaktik. Sie berichtet über Erfahrungen aus
dem Projekt und von den Erfahrungen der TrainerInnen
aus der täglichen Jugendarbeit: Spielerische Übungen,
gemeinsam Spaß haben und eine selbstbestimmte Aus-
wahl der Inhalte innerhalb eines strukturierten Rahmens
mit klaren Regeln sind für alle Jugendlichen wichtig und
hilfreiche Motivation zu Bewegung und Konzentration.
Allerdings haben Mädchen und Burschen unterschiedli-
che Bedürfnisse an Bewegungsangeboten:
Die Erfahrungen zeigen, dass Mädchen an Sport und
Bewegung gemütlich herangehen, mit Pausen für sozia-
len Austausch und Zeit für Gespräche. Sie zeigen aber
Biss und Durchhaltevermögen, wenn sie einer für sie in-
teressanten Herausforderung gegenüberstehen. Eine
solche Herausforderung darf aus koordinativen Elemen-
ten bestehen (beim Jonglieren wird z. B. so lange geübt,
bis die Aufgabe gelingt) und Ausdauer beanspruchen.
Übungen für Körperwahrnehmung und -stabilität sowie
Volleyball ziehen sie Gerätetraining oder Fußball vor.
Während sozialer Kontakt im Vordergrund steht, moti-
viert körperlich stark anstrengende oder exponierende
Bewegung sie wenig, da sie wenig Kraft- oder Bewe-
gungsdrang spüren – ganz im Gegensatz zu Burschen.
»DIE ERFAHRUNGEN ZEIGEN,
DASS MÄDCHEN AN SPORT UND
BEWEGUNG GEMÜTLICH HERANGEHEN,
MIT PAUSEN FÜR SOZIALEN AUSTAUSCH
UND ZEIT FÜR GESPRÄCHE.«
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Juni 2017
Themenschwerpunkt
Gendermedizin in der Physiotherapie