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September 2016

37

KONTINENZ

Markus Martin

Ergebnisse

In der Gruppe mit jenen 81 Frauen, die vor der OP an

Harninkontinenz litten, reduzierten sich die Beschwerden

bei 52 Teilnehmerinnen, also bei 64 Prozent. Bei 26 der

81 Frauen, das entspricht 32 Prozent, veränderte sich die

Harninkontinenz nicht. Drei Patientinnen gaben an, nach

der OP Verschlechterungen zu bemerken. Der durch-

schnittliche ICIQ-SF Score (0–21 Punkte sind möglich)

der Patientinnen verbesserte sich von 6.0 zu 3.5. In der

Gruppe der 108 Frauen, die vor der OP unter keiner

Harninkontinenz litten, tauchte bei 105 Patientinnen

auch nach der OP keine Inkontinenz auf. Die Autoren

diskutieren die Ergebnisse wie folgt: Obwohl sich unter

den Teilnehmerinnen, die vor der OP an einer HI litten,

mit Sicherheit einige befanden, die eine funktionelle

Inkontinenz aufgrund der Hüftdysfunktion hatten – bei

denen die Inkontinenz also auch auf die Unmöglichkeit,

zur Toilette zu gehen, zurückzuführen ist – scheint die Be-

lastungsinkontinenz die häufigste Form gewesen zu sein.

Die ICIQ-SF Befragung zeigte eine Verbesserung bei

64 Prozent der Betroffenen und legt daher eine Bezie-

hung zwischen Hüft- und Beckenbodenfunktion nahe.

Harninkontinenz könnte ein Resultat einer Hüftdysfunk-

tion sein. M. levator ani (LA) entspringt zum Teil von der

Fascie des M. obturator internus (OI). Dieser, wie auch

andere Hüftmuskeln, atrophiert im Falle einer Hüftar-

throse (s. Bild). Nach einer TEP-OP entwickeln die Hüft-

muskeln aufgrund der Kräftigung und der Verbesserung

des Hüftbewegungsumfangs wieder mehr Spannung,

weshalb die Hypothese aufgestellt wird, dass ein

schwacher Beckenboden durch eine TEP verbessert

werden kann.

Kommentar

Die Autoren der vorliegenden Studie beschreiben mehrere

Begrenzungen der Studie: Als erstes, dass es keine

Kontrollgruppe gab und in der dreimonatigen Nachver-

folgungsperiode nicht dokumentiert wurde, wann die

Harninkontinenz besser wurde oder verschwand. Darüber

hinaus wurden weder die Anzahl der Geburten noch

bestehende urogynäkologische Krankheiten analysiert.

Diese von den Autoren angegebenen Limitierungen sind

in der Tat bedauerlich. Eine Dokumentation, wann die

Harninkontinenz besser wurde, wäre auch im Zusammen-

hang damit interessant gewesen, welches Training wie

lange und wie konsequent durchgeführt wurde. Wie sich

die Autoren eine Kontrollgruppe vorstellen, geht aus der

Arbeit nicht hervor. Eine Schein-OP wäre sicher nicht

sinnvoll, wohl aber eine Gruppe von Frauen mit Harn-

inkontinenz, die von einer noch nicht operationsreifen

Hüftarthrose betroffen sind und das gleiche Training wie

die Post-OP-Gruppe erhält.

Des Weiteren ist in der Präsentation nicht erörtert, inwie-

fern der Schweregrad der Harninkontinenz Einfluss auf das

Ergebnis hatte. Der maximal angegebene ICIQ-SF-Score

vor der OP ist mit 8,9 angegeben. Das heißt: Keine der

Betroffenen hatten eine starke Form der Harninkontinenz.

Die Hypothese, dass sich die Beckenbodenfunktion durch

eine bessere Spannung des M. obturatorius internus ver-

bessert, ist auf jeden Fall für die Praxis relevant. Selbst

bei männlichen Patienten, die aufgrund einer radikalen

Prostatektomie von Harninkontinenz betroffen sind, erlebe

ich immer wieder, dass sich ihre Symptomatik auffällig

verbessert, wenn sie Übungen zur Verbesserung der Hüft-

mobilität und -muskelkraft in ihr Training integrieren.

Aber auch bei jüngeren Frauen mit Belastungsinkontinenz

wie Sportlerinnen oder Tänzerinnen sollte unbedingt ein

Augenmerk auf die Beweglichkeit und Balance der Hüft-

muskulatur gelegt werden.

CT-Bild einer 66-jährigen Frau mit einer Hüftarthrose links,

das eine deutliche Atrophie des M. obturatorius internus links

zeigt (Sternchen). Weiße Pfeilspitzen zeigen M. levator ani.

(Tamaki, Oinuma, Shiratsuchi, Akita & Iida, 2014, S. 731)

KURSANKÜNDIGUNG

Palpation des weiblichen Beckenbodens

01.04.2017

Wien, Rudolfinerhaus

Christine Stelzhammer, MEd

Elisabeth Udier, MSc

Dr. Bernhard Bartosch

Dr. Engelbert Hanzal