TEAMARBEIT
Anita Kiselka, MSc
Die Gesundheitsreform und das von der
österreichischen Bundeszielsteuerungs-
kommission erarbeitete Konzept »zur multi-
professionellen und interdisziplinären
Primärversorgung« fordern eine interprofes-
sionell vernetzte, patientInnenzentrierte,
flächendeckend zugängliche Gesundheits-
versorgung. Um dies Realität werden zu
lassen, muss Interprofessionalität bereits in
der Ausbildung gelehrt werden, forderte
Beat Sottas bei der MTD-Konferenz 2014.
Er kritisiert darüber hinaus die fehlende
Teamarbeit und starken Hierarchien nach
Beruf und Spezialisierung im Gesundheits-
wesen. Doch wie entwickelt sich ein multi-
zu einem interprofessionellen Team? Unter
Multiprofessionalität verstehen wir, wenn
zwei oder mehr Professionen additiv neben-
einander arbeiten. Im Gegensatz zu dieser
schwächeren, weniger verbindlichen Form
der Zusammenarbeit, koordinieren in der
Interprofessionalität zwei oder mehr Profes-
sionen ihre Kompetenzen und Perspektiven
sinnvoll mit einem gemeinsamen Ziel.
Um eine solche Arbeitsweise zu erreichen,
fördern intra- und extramural folgende
Strukturen und Prozesse die interprofessio-
nelle Zusammenarbeit:
1.
Ein gemeinsames Verständnis von
Zielinhalten, Sprache, Denkweise und
Kompetenzen anderer Berufsgruppen.
2.
Regelmäßige interprofessionelle Kom-
munikationszeiten, welche idealerweise
persönlich und hierarchiefrei auf
Augenhöhe erfolgen, ausreichend Zeit
und Raum zur Verfügung stellen, sowie
auf klaren und wertschätzenden
Gesprächs- und Beziehungsstrukturen
basieren.
3.
Voraussetzung für die interprofessio-
nelle Zusammenarbeit ist ein gemein-
sames Zielobjekt, also einE gemein-
sameR KlientIn oder ein gemeinsamer
Auftrag bzw. ein gemeinsames Projekt
in Praxis, Lehre, Forschung oder
Entwicklung.
Zu Professionen, mit denen Physiotherapeu-
tInnen zusammenarbeiten, zählen sämtliche
andere Gesundheitsberufe und -dienstleis-
ter, inkl. technischer und sozialer Berufs-
gruppen, sowie PatientInnenvertretungen.
Aufgrund dieser großen Anzahl an Kompe-
tenzbereichen ist verständlich, dass das Ziel
interprofessioneller Zusammenarbeit nicht
ein Erlernen und Übernehmen anderer Kom-
petenzen darstellt, sondern die Entwicklung
einer offenen Arbeitshaltung gegenüber an-
derer Perspektiven erfordert, welche zur Er-
reichung des Ziels ebenso beitragen wie jene
der eigenen Berufsgruppe.
Da die Ausbildung zukünftiger Physiothera-
peutInnen zu einer interprofessionellen Ar-
beitshaltung nicht theoretisch, sondern nur
durch praktische Zusammenarbeit mit ande-
ren Berufsgruppen erfolgen kann, finden
Lehrmodelle wie z.B. das Projekt »ERGO
PHYSIO SUM, NA LOGO« von Studierenden
aus Graz, welches den 1. Platz des MTD-
Innovationspreises 2014 gewann, zuneh-
mend Anwendung in den Fachhochschulen.
Um zu erfahren, wie die Umsetzung interdis-
ziplinärer oder interprofessioneller Zusam-
menarbeit gelebt wird, wurden in diesem
Beitrag unterschiedliche Professionen inter-
viewt, die ihre Definitionen von Interprofes-
sionalität/-disziplinarität vorstellen und
Kooperationen mit PhysiotherapeutInnen aus
ihren Perspektiven beschreiben.
Der Unterschied zwischen Interprofessionali-
tät und -disziplinarität besteht darin, dass
der Begriff Interprofessionalität im klinischen
Alltag verwendet wird, wohingegen Inter-
disziplinarität in Lehre und Forschung
Anwendung findet. Daher wurden die Inter-
viewpartnerInnen aus zwei entsprechenden
Beispielsettings, dem Multiple Sklerose
Tageszentrum der CS Caritas Socialis und
der Fachhochschule St. Pölten ausgewählt.
Anita Kiselka, MSc
ist Physiotherapeutin im Multi-
ple Sklerose Tageszentrum
(MSTZ) der CS Caritas Socialis
und FH-Dozentin im Studien-
gang Physiotherapie der Fach-
hochschule St. Pölten. In ihrer
Funktion als Praktikumsanlei-
terin entwickelte sie gemein-
sam mit dem Team des MSTZ
das interprofessionelle Projekt
»Voneinander Lernen im
Team«, in welchem Praktikan-
tInnen unterschiedlicher Be-
rufsgruppen die in diesem
Artikel vorgestellten Struktu-
ren und Prozesse interprofes-
sioneller Zusammenarbeit
erfahren.
Perspektivenwechsel
Physiotherapie im interprofessionellen und interdisziplinären Team
Das Ziel interprofessioneller Zusammenarbeit ist nicht ein Erlernen und
Übernehmen anderer Kompetenzen, sondern die Entwicklung einer offenen
Arbeitshaltung gegenüber anderer Perspektiven, welche zur Erreichung
des Ziels ebenso beitragen wie jene der eigenen Berufsgruppe.
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Februar 2015
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© Martin Lifka
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