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Arge Selbsthilfe Österreich

Der Verein ARGE Selbsthilfe Österreich ist ein

Zusammenschluss der unterschiedlichen Formen der

Selbsthilfe in Österreich (themenübergreifende Selbst-

hilfe-Dachverbände und –Kontaktstellen und themen-

bezogen, bundesweit tätige Selbsthilfeorganisationen).

Fast 250.000 Menschen besuchen österreichweit

1.700 Selbsthilfegruppen. Die ARGE Selbsthilfe Öster-

reich sammelt und bündelt die Interessen dieser Selbst-

hilfegruppen. Zu ihrem Aufgabenbereich gehört unter

anderem, die Bedürfnisse und Interessen der Selbsthil-

fegruppen im Sozial- und Gesundheitsbereich zu bün-

deln und in Entscheidungsstrukturen einzubringen.

Die ARGE Selbsthilfe Österreich gibt einen guten Über-

blick über die Anliegen und Bedürfnisse der Betroffenen

und Angehörigen und stellt gleichzeitig sicher, dass

nicht Einzelinteressen sondern Anliegen einer breiten

Basis vertreten werden.

Bundesgeschäftsstelle

Arge Selbsthilfe Österreich

01/740402855

arge@selbsthilfe-oesterreich.at www.selbsthilfe-oesterreich.at

Welche Erfahrungen haben Sie mit PhysiotherapeutInnen

im Rahmen Ihrer Tätigkeit als PatientInnenanwalt?

Ich habe sehr wenige Erfahrungen mit Physiothera-

peutInnen im Rahmen meiner Tätigkeit. Ab und

zu kommt es vor, dass uns aus dem niedergelassenen

Bereich oder Krankenanstalten Beschwerden erreichen,

die die Physiotherapie betreffen. Etwa, wenn der Nagel

nach einem genagelten Bruch gebrochen ist und die

Vermutung besteht, dass dies im Rahmen einer physio-

therapeutischen Behandlung passiert ist. Aber das hat

wirklich Seltenheitswert.

Warum ist das Ihrer Meinung nach so?

In diesem Bereich treten einfach viel weniger Konflikte

auf. Die Ausbildung und Tätigkeit der Physiothera-

peutInnen in Österreich ist aus meiner Sicht auch im

europaweiten Vergleich sehr gut. Dennoch würde ich die

minimalen Beschwerden nicht als Qualitätsbewertung

sehen. Generell treten aus dem niedergelassenen Be-

reich weniger Beschwerden auf, aber auch das ist keine

Qualitätsfrage. Gerade aus dem »schneidenen Bereich«

der Krankenanstalten, wo die häufigen Beschwerden

auftreten, sind die Aspekte für die PatientInnen oft ein-

sichtiger. Ich wage zu behaupten, dass man mit einem

Medikament etwa 20 Jahre lang fehlbehandelt werden

kann, es aber nicht merkt. Ähnliches gilt vielleicht für

die Physiotherapie, wo das Gefährdungspotential nicht

so unmittelbar ist und daher weniger Konflikte auftreten.

Entsteht aber nach einer Operation eine Infektion,

dann ist das umgehend ersichtlich.

Worin sehen Sie in den letzten Jahren wichtige Ent-

wicklungen hinsichtlich der PatientInnensicherheit im

Gesundheitswesen und wo sehen Sie noch Verbesse-

rungspotentiale?

Ganz allgemein - und das betrifft auch die Physio-

therapie – ist es für uns wichtig, abgesehen vom indivi-

duellen Beschwerdemanagement auch Lernpotenziale

zu heben und dies im Sinne der Qualitätssicherung

auf struktureller Ebene einzubringen. Ich bin auch Vor-

standsmitglied in der »Plattform Patientensicherheit«,

wo wir uns intensiv mit diesen Themen beschäftigten.

Was mir wirklich am Herzen liegt, ist das Verhältnis

TherapeutIn und PatientIn. Es gibt eine neue Initiative in

Österreich, in der diese Thematik neu aufgegriffen wird.

Wir plädieren für eine offene Fehlerkultur. Es ist notwen-

dig, dass, wenn ein Fehler mit Schaden vorfällt, dieser

nicht unter den Tisch gekehrt sondern offen kommuni-

ziert wird. Wir fordern dazu auf, proaktiv zu kommunizie-

ren und sich auch zu entschuldigen.

Diese proaktive Transparenz ist im individuellen Bezie-

hungsverhalten essentiell, aber auch auf struktureller

Ebene (wie etwa Qualitätstransparenz). Hier sind wir in

Österreich noch weit hinten. In Deutschland etwa gibt

es den Gesundheitsmonitor der Bertelsmann Stiftung

oder das Ranking auf

www.qualitätskliniken.de

.

Sie waren an der Entwicklung der österreichweiten

»Patientensicherheitsstrategie« beteiligt:

Welche Ziele werden damit verfolgt?

Ich halte sehr viel von einer »Patientensicherheitstra-

tegie«, die österreichweit gültig ist. Bisher gab es vielfach

Inselaktionen, wo eine nichts von der anderen wusste.

Eine übergreifende Strategie, die gewisse Ressourcen

zur Verfügung hat und die Prioritäten innerhalb des weiten

Feldes der PatientInnensicherheit setzt, und wo Dinge

gemeinsam angegangen werden, ist sinnvoll.

Ganz wichtig – und das wird bei der »Patientensicher-

heitsstrategie« auch thematisiert – ist die Einbindung

der betroffenen PatientInnen. Sie sind eine zusätzliche

Ressource und oft die einzigen – aufgrund der häufigen

Dienstwechsel – die den Behandlungsvorgang von vorne

bis hinten überhaupt erleben. Dazu erwähne ich gerne

das »Schweizer-Käse-Modell« (Swiss Cheese Model) des

englischen Psychologen James Reason, in dem er bildhaft

das latente und aktive menschliche Versagen als Beitrag

zum Zusammenbruch von komplexen Systemen darstellt.

Es vergleicht Sicherheitsebenen mit hintereinander

liegenden Käsescheiben. Die Löcher im Käse, wie beim

Emmentaler, stehen für die Unvollkommenheit der Sicher-

heitseinrichtungen in einem Krankenhaus etwa. Liegen

alle Löcher an der gleichen Stelle, marschieren die Fehler

durch. Legt man eine neue Scheibe – die Sicht der

betroffenen PatientInnen etwa – darüber, ändert sich

das Ergebnis.

Mag. Patricia Otuka-Karner

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Themenschwerpunkt

Faktor Mensch in der Physiotherapie

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Juni 2015