inform Nr.1 Jänner 2014 - page 10

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physio
austria
inform
Februar 2014
Themenschwerpunkt
Physikalische Therapie
Der gesetzliche Auftrag an die Sozialversicherer sieht
vor, dass die von ihm finanzierte Krankenbehandlung
»ausreichend und zweckmäßig sein muss, jedoch
das Maß des Notwendigen nicht überschreiten darf«
(§ 133 Abs 2 ASVG). Um die dazu nötigen Entschei-
dungsprozesse wissenschaftlich zu fundieren, richtete
der Hauptverband der österreichischen Sozialversiche-
rungsträger (HVB) die Abteilung für Evidence Based
Medicine (EBM) und Health Technology Assessment
(HTA) ein, deren primäres Ziel in der Erarbeitung wissen-
schaftlicher Standards und damit der Beratung des
chefärztlichen Dienstes liegt. In den vergangenen zehn
Jahren publizierte die Abteilung diverse Arbeiten zur
Evaluation gängiger, sowie gerade im Trend befindlicher,
medizinischer Diagnoseverfahren und Interventionen
und trägt damit entscheidend zur Veränderung und
Anpassungen der Leistungskataloge bei.
Diese Arbeiten betreffen selbstverständlich auch
die Physiotherapie, als essentiellen Bestandteil des
Gesundheitswesens, und in diesem Bereich auch die
Anwendung physikalischer Therapieformen. Der
folgende Beitrag soll einen Ein- und Überblick in
die aktuelle Lage der vorliegenden Evidenzberichte
und Einschätzungen verschiedener physikalischer
Therapieformen durch den HVB geben.
Das 2010 erschienene Review zur Bewegungstherapie
bei Low Back Pain hatte in Physiotherapie-Kreisen
bereits Wellen geschlagen und wurde zum Gesprächs-
thema. 2012 folgten dann mehrere Publikationen des
HVB zu verschiedenen physikalischen Anwendungen
wie Balneo-, Thermo- und Elektrotherapie.
Interessanterweise führten diese Veröffentlichungen
zu kaum erkennbarer Resonanz auf Seiten der Physio-
therapeutInnen. Ein Grund dafür ist womöglich ein rein
wirtschaftlicher – in extramuralen Einrichtungen sind es
in den seltensten Fällen PhysiotherapeutInnen die ihr
Haupteinkommen durch die Verrechnung dieser physika-
lischer Anwendungen beziehen. Die wenigsten definieren
ihre physiotherapeutische Tätigkeit über physikalische
Maßnahmen, verstehen letztere vielmehr als adjuvante
Therapieanwendungen und sich selbst, aufgrund der
derzeitigen Gesetzeslage als Ausführende der ärztlichen
Anordnung.
Mangel an Evidenz = Evidenz des Mangels?
Die 2012 publizierten Übersichtsarbeiten bezogen sich
auf folgende physikalische Maßnahmen:
°
Elektrotherapie
°
Thermotherapie
°
Medizinalbäder und wasserunterstützte
Therapieformen
°
niederenergetisch gepulster Ultraschall
(LIPUS) zur Frakturheilung
°
Transkutane laterale Elektrostimulation
bei ideopathischer Skoliose
°
Traktion/Extensionsbehandlung
°
Munaripackungen
Die Literaturrecherche wurde in allen hier vorgestellten
Arbeiten umfassend und nach wissenschaftlichen
Standards mittels medizinischer Datenbanken (Coch-
rane, Pubmed, MEDLINE, PEDRO) durchgeführt.
Die AutorInnen des Gutachtens zu Munaripackungen
raten aus Mangel an wissenschaftlicher Evidenz –
die Literaturrecherche brachte keine relevanten Studien
hervor – und der relativ häufig auftretenden Nebenwir-
kungen von der Anwendung ab.
Unter der Lupe
des Hauptverbandes
Physikalische Therapien geraten nach Studien
zur Evidenz unter Druck
Christian Blatakes
ist seit 2010 als freiberuflicher Physio-
therapeut tätig und studiert derzeit auf
der FH Campus Wien den berufsbeglei-
tenden Masterstudiengang Health Assis-
ting Engeneering. Er war drei Jahre als
Bundesfreiberuflichenvertreter für Physio
Austria tätig und engagierte sich zudem
in Arbeitsgruppen zu den Themen ehren-
amtliche Funktionärstätigkeit, Berufsbild
Physiotherapie und Kassenleistungen.
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