inform_Nr4_September2013 - page 7

physio
austria
inform
September 2013
7
MORBUS PARKINSON
Silvia Nowotny, MSc
Neben medikamentöser Behandlung gehört
Physiotherapie zum Standard in der Behand-
lung der krankheitstypischen Mobilitätspro-
bleme von Menschen mit Morbus Parkinson.
In mehreren Studien (u.a. Morris et al., 2010,
Deane et al., 2002, Goodwin et al. 2008)
konnte gezeigt werden, dass Physiotherapie
Symptome wie Gleichgewichtsdefizite,
Gangstörungen und posturale Instabilität
verbessern bzw. ihr Auftreten hinauszögern
kann. Mit der Frage welche Interventionen
diesbezüglich effektiv sind, beschäftigen sich
in den letzten Jahren zunehmend mehr Publi-
kationen. Dabei erscheinen nicht nur »klassi-
sche« Therapieansätze wie Ausdauertraining,
Gleichgewichtstraining und Üben von Kom-
pensationsstrategien, sondern auch neue
oder komplementäre Ansätze wie Training
mit virtueller Realität, Tai Chi, Klettern, Irish
Dance oder Tangotanz vielversprechend.
Eine eindeutige Überlegenheit einer be-
stimmten Technik oder eines Behandlungs-
konzeptes konnte dabei bisher nicht
nachgewiesen werden, jedoch gibt es einige
Grundsätze, die TherapeutInnen im Sinne
einer erfolgversprechenden Behandlung
mitbedenken sollten.
Ein kontrovers diskutierter Ansatz ist das
»Dual Task Training« bei dem PatientInnen
gleichzeitig mit zwei verschiedenartigen
Anforderungen (z.B. gehen und dabei rech-
nen, auf einem Bein stehen und dabei einen
Ball werfen) konfrontiert werden.
Schrittlänge und Gehgeschwindigkeit sind
unter Double Tasking bei ParkinsonpatientIn-
nen deutlich stärker reduziert als bei gesun-
den ProbandInnen. Dies führt zu einer
schnelleren Ermüdung und verstärkt die
Unsicherheit beim Gehen.
Die KNGF Guideline »Physical therapy in
Patients with Parkinson’s Disease« kommt
2004 aufgrund dieser Faktoren zu dem
Schluss, dass es sinnvoll ist, Betroffene
anzuleiten und in Therapie und Alltag
Doppelaufgaben zu vermeiden.
Dennoch gaben bei einer Befragung von
4000 europäischen PhysiotherapeutInnen,
56 Prozent an, mit den von ihnen behandel-
ten ParkinsonpatientInnen häufig oder
immer Double Tasks zu trainieren.
Möglicherweise ist dies darauf zurückzufüh-
ren, dass es auf Partizipationsebene schwie-
rig scheint zu vermeiden, dass Betroffene
mit mehreren Anforderungen parallel kon-
frontiert werden – man denke hier nur an
einen Einkauf im Supermarkt oder die
Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Auch in der Therapiesituation ist zu beden-
ken, dass jede Instruktion während des
Bewegungsablaufes im Prinzip zu einer
Doppelaufgabe führt. Sollte dies nicht
gewünscht sein, müssten sich Behandelnde
auf Feedback nach Beendigung der Übung
beschränken, was punktgenaue Korrekturen
stark erschweren könnte.
Auch einige wissenschaftliche Publikationen
(z.B. Kelly et al., 2012, Brauer & Morris,
2010) berichten von positiven Auswirkungen
des Dual Task trainings auf die Gang-
geschwindigkeit und Schrittlänge unter
Double Task Bedingungen. Dabei wurden
verschiedene kognitive Strategien erprobt.
Unter anderem sollten PatientInnen lernen,
entweder ihre Aufmerksamkeit gleichzeitig
auf beide Aufgaben aufzuteilen oder sich
gezielt auf eine der beiden Aufgaben zu
konzentrieren. Dieses Training beginnt mit
relativ unkomplizierten Anforderungen.
Silvia Nowotny, MSc
ist seit 2000 Physiothera-
peutin mit Schwerpunkt
Neurologie. Sie ist Mitglied
des Lehr
-
und Forschungs-
personals am Studiengang
Physiotherapie der FH Gesund-
heitsberufe OÖ, Campus Steyr
und hat ein Masterstudium in
Neurorehabilitation an der
Donauuniverstät Krems
absolviert.
Physiotherapie in der Behandlung von
Morbus Parkinson als Standard.
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© Helmut Wallner
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