inform Nr.3 Juni 2014 - page 27

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austria
inform
Juni 2014
27
INTERVIEW
Bernhard Baumgartner, BA
Birgit Happenhofer ist Physiotherapeutin beim
High-Tech-Therapiegerätehersteller Tyromotion.
Mit inform sprach sie darüber wie eine spiele-
rische Herangehensweise und Technologie
PatientInnen zu Gute kommt.
Sie sind als Physiotherapeutin in einem High
Tech Bereich tätig. Was sind Ihre Aufgaben?
Meine Aufgaben bei der Firma Tyromotion
sind vielfältig. Meine Haupttätigkeit ist die
physiotherapeutische Behandlung von
PatientInnen, wobei mir alle Therapiegeräte
der »tyrosolution« in der Praxis zur Verfügung
stehen. Meine praktischen Erfahrungen kann
ich in weiterer Folge bei der Optimierung und
Entwicklung von Hard- und Software einbrin-
gen. Ein wichtiger Teil meiner Arbeit ist die
Durchführung von Präsentationen, Work-
shops und Schulungen für die Geräte auf
der ganzen Welt.
Was zeichnet die technologiegestützte
Therapie aus?
Die Möglichkeiten von technologiegestützter
Therapie sind sehr vielfältig und demnach
können die Vorteile entsprechend der Be-
dürfnisse der PatientInnen stark variieren.
Technologieunterstützung kann beispiels-
weise zur Objektivierung bei der Befund-
erhebung sowie bei der Verlaufskontrolle
sehr hilfreich sein. Ein wichtiger Faktor ist
die Motivation der PatientInnen, die auf
unterschiedlichste Weise gefördert werden
kann. Dies kann durch die oftmals spieleri-
sche Herangehensweise geschehen, aber
auch dadurch, dass durch die Technolo-
gieunterstützung bis dahin schwierige oder
gar unmögliche Übungen durchgeführt
werden können oder auch kleine Therapie-
fortschritte für die PatientInnen sichtbar
gemacht werden können.
Wie wichtig ist der spielerische Aspekt in der
Therapie?
Der spielerische Aspekt kann hoch motivie-
rend auf PatientInnen wirken. Nicht nur
Kinder sondern auch Erwachsene verfügen
über einen gewissen Spieltrieb, der sich
ideal in der Therapie nutzen lässt. So ist es
dadurch möglich, Übungen, die zum Beispiel
häufige Wiederholungen erfordern und
dementsprechend monoton sind, über
eine Spielfunktion für die PatientInnen
interessant zu gestalten.
Welche »Spiele« kann man zu
Übungszwecken spielen?
Da sind der Fantasie der EntwicklerInnen
keine Grenzen gesetzt. Oftmals handelt es
sich jedoch um Spielprinzipen, die man von
einfachen Computerspielen kennt wie zum
Beispiel etwas einsammeln, richtig anordnen
oder ausbalancieren. Durch die Anwendung
von Spielen können sowohl das motorische
als auch kognitive Lernen, aber auch beide
Aspekte kombiniert, trainiert werden. Wich-
tig dabei ist, dass sich die Steuerung des
Spiels an die jeweiligen PatientInnen gut
anpassen lässt.
Was sind die Vorteile?
Die Liste der Vorteile bei sachgemäßer An-
wendung ist lang. So kann entsprechend der
Möglichkeiten der Wahrnehmung der Patien-
tInnen das Feedback des Spiels akustisch,
visuell aber auch haptisch stattfinden.
Gerade in der visuellen Gestaltung der
Spiele hat man beinahe unbegrenzte Mög-
lichkeiten, Spielsituationen zu schaffen, mit
denen sich die PatientInnen individuell iden-
tifizieren können. Ein weiterer Vorteil in der
computerunterstützten Therapie ist, dass
sämtliche Parameter beständig aufgezeich-
net werden und durch die TherapeutInnen
mitverfolgt und beurteilt werden können.
Gibt es Nachteile?
Eine mögliche Gefahr besteht darin, dass
sich TherapeutInnen zu sehr auf die Techno-
logie verlassen und z.B. Therapiespiele nicht
zielgerichtet sondern als Unterhaltung einge-
setzt werden. Gleich wie bei allen anderen
physiotherapeutischen Maßnahmen muss
die Art und Weise der Anwendung genau
bedacht und für PatientInnen individuell
geplant werden. Technologie kann und soll
keine TherapeutInnen ersetzten, sondern
deren Möglichkeiten erweitern.
Wie ist das Feedback der PatientInnen?
Das Feedback meiner PatienInnen für die
computerunterstützte Therapie ist sehr posi-
tiv. Wenn kognitive Komponenten spielerisch
trainiert werden, wird das besonders von
PatientInnen aus dem geriatrischen Bereich
gut angenommen.
In wie weit kann man sich als Physio-
therapeutIn in die Entwicklung einbringen?
Bei Tyromotion wird viel Wert auf die inter-
disziplinäre Zusammenarbeit gelegt. Da
Entwicklung, Anwendung und Vertrieb an
einem gemeinsamen Standort sind, findet
ein beständiger Erfahrungsaustausch an der
Schnittstelle zwischen Therapie und Technik
satt. Meine praktischen Erfahrungen und die
Rückmeldungen der PatientInnen können so
direkt in die Weiter- und Neuentwicklung von
Therapiegeräten einfließen.
Motivation als
entscheidender Faktor
»Genau dieses gilt es im Sinne einer zu-
kunfts- und bevölkerungsorientierten Aus-
richtung des Gesundheitswesens zu nutzen«,
so Silvia Mériaux-Kratochvila, Präsidentin
von Physio Austria. Wie Primary Health Care
Modelle aus dem Ausland zeigen und auch
aus den aktuellen Diskussionen und Arbeiten
in diversen Gremien in Österreich hervor-
geht, wird die Physiotherapie als wesent-
licher Bestandteil einer solchen »Primärver-
sorgungseinheit« außer Frage gestellt.
Mériaux-Kratochvila sagt weiters:
»Jedoch ist im Sinne einer optimalen Ver-
sorgung der Bevölkerung für die weiteren
Arbeiten am Thema sicherzustellen, dass die
Kompetenzen der PhysiotherapeutInnen wie
auch der anderen gesetzlich geregelten Ge-
sundheitsberufe, in ihrer ganzen Breite wahr-
genommen und mit berücksichtigt werden.«
Best Point of Service
Die Forderungen des Bundeszielsteuerungs-
vertrages nach neuen ambulanten Versor-
gungsformen, einem »Best Point of Service«,
bei dem »die richtige Leistung, zum richtigen
Zeitpunkt am richtigen Ort« angeboten wer-
den soll, sowie nach einer Forcierung von
Gesundheitsförderung und Prävention wird
von Physio Austria und seinen sechs Partner-
verbänden der gehobenen medizinisch-tech-
nischen Dienste sowie MTD-Austria, voll
inhaltlich unterstützt . Die KlientInnen oder
PatientInnen sollen möglichst niederschwel-
ligen Zugang zu professioneller Unterstüt-
zung erhalten. Den hohen Nutzen, der für die
Bevölkerung durch den vermehrten Einsatz
der MTD-Berufe entsteht, zeigen internatio-
nale Primary Health Care Modelle auf. Zur
Umsetzung einer »neuen Primärversorgung«
in Österreich bedarf es jedoch einer Ausei-
nandersetzung mit den Rollen der Gesund-
heitsberufe und einer Neudefinition selbiger,
sowie der Schaffung der dafür erforderlichen
Rahmenbedingungen. Einen wesentlichen
Schritt stellt in diesem Zusammenhang die
seit Jahren anstehende und von Physio
Austria geforderte Novellierung des Berufs-
bildes sowie die Auseinandersetzung mit
und eine Ermöglichung neuer Kooperations-
formen der gesetzlich geregelten Gesund-
heitsberufe dar.
Birgit Happenhofer mit einem
Patienten beim therapeutischen Spiel.
© tyromotion
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