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physio

austria

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April 2015

27

GENDER

Anita Kiselka, MSc

Inwiefern spielen bei Stoffwechselerkrankun-

gen Geschlechterunterschiede eine Rolle?

Frauen leben bekanntlich länger als Männer.

Dies gilt für Nationen deren Bruttosozial-

produkt eine bestimmte Größe überschreitet.

Derzeit ist es noch unklar, warum dies so ist.

Haben Männer mehr Stress? Oder Frauen

die besseren Gene? Es stehen zwei unter-

schiedliche Hypothesen im Raum, wobei eine

gesellschaftswissenschaftlich und die andere

biologisch begründet wird. Eine biologische

könnte der Unterschied in der kardiovasku-

lären Physiologie sein, eventuell können

Überlebensunterschiede damit erklärt bzw.

diskutiert werden.

Welche Stoffwechselerkrankungen sind

von besonderer Bedeutung?

Das Geschlecht beeinflusst sowohl Gesund-

heitsverhalten als auch die Entwicklung und

den Verlauf unterschiedlicher Erkrankungen.

In Studien konnte gezeigt werden, dass

Diabetes, Hypertonie und Bewegungsmangel

geschlechtsabhängige Risikofaktoren sind.

Weitere Einflussfaktoren für Adipositas

und Diabetes sind vor allem bei Frauen ein

niedriger sozialer Status und eine schlechte

Bildung. Männer leiden häufiger an einem

metabolischen Syndrom. Sind jedoch Frauen

davon betroffen, besteht ein höheres kardio-

vaskuläres Risiko und eine höhere Mortalität.

Sind Frauen, die an Diabetes erkrankt

sind, aus medizinischer Sicht anders zu

betrachten als Männer?

In Prävention, Diagnose und Therapie von

Diabetes spielen biologische und psychoso-

ziale Faktoren eine große Rolle. Frauen mit

Diabetes leiden vor allem an einer schlechte-

ren Lebensqualität und einer deutlichen

Minderung des seelischen und körperlichen

Wohlbefindens.

Wie sind Frauen physiotherapeutisch

zu behandeln?

Bei Frauen, die an Diabetes und Hypertonie

erkrankt sind, hat Bewegungstraining einen

größeren positiven Effekt. Frauen essen

gesünder als Männer, bewegen sich aber

weniger. Es geht daher um eine generelle

Umstellung des Lebensstils – aus der Passi-

vität in die Aktivität. Dabei ist es wichtig,

die Alltagsbewegung zu fördern und hierbei

physiotherapeutisch unter die Arme zu

greifen. Beide Geschlechter profitieren

gleichermaßen von einer guten Stoffwechsel-

einstellung, einer guten Blutdruck- und

Lipidtherapie.

Wie unterscheiden sich Frauen, die an

Adipositas erkrankt sind, von Männern?

Die enorme Zunahme von Adipositas stellt in

der westlichen Welt ein großes gesundheits-

politisches Problem dar. In den EU-Staaten

liegt die Prävalenz von Adipositas bei Frauen

etwas höher, in Österreich jedoch gelten

mehr Männer als übergewichtig. Die Lebens-

erwartung sinkt, was auf diverse Folge-

erkrankungen wie z.B. Diabetes mellitus

Typ 2 oder diverse kardiovaskuläre Erkran-

kungen usw. zurückzuführen ist.

Inwiefern sind Frauen aus physiothera-

peutischer Sicht anders zu betrachten?

Adipositas begünstigt das Auftreten von

Rückenschmerzen und Arthrosen im Bereich

des Kniegelenks. Frauen entwickeln mit

mehr als 30 Prozent Übergewicht 3,2 Mal

häufiger eine radiologisch nachweisbare

Gonarthrose. Grund hierfür ist, dass Adi-

positas zu einer Ventralisierung des Schwer-

punktes und somit einer veränderten

Körperhaltung führt.

Gefragt:

FH-Prof.in Romana Bichler, MAS,

freiberufliche Physiotherapeutin

und FH-Dozentin, Master in

Sportphysiotherapie.

© Anita Kiselka