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Eine Zeitzeugin berichtet

Emmy Tauffkirchen war – fast – von Anfang

an dabei. Sie hat die Ausbildung zur »Assis-

tentin für physikalische Medizin« 1956

abgeschlossen und danach ihre berufliche

Laufbahn in einem Zentrum für Poliomyelitis

in der Schweiz begonnen, bevor sie 1958

als erste Physiotherapeutin in Österreich

im Bereich der Pädiatrie an der Univ. Kinder-

klinik in Wien zu arbeiten begann.

Später wandte sie als erste Physiotherapeutin in

Österreich die neurophysiologische Physio-

therapie nach Bobath an und lehrte diese auch.

Sie baute zudem maßgeblich die Hippotherapie

in Österreich auf und gab dazu zahlreiche Kurse.

Nach einstimmigem Beschluss des medizinischen

Senats der Universität Wien wurde ihr am 24. Juni

1997 von dem damaligen Rektor Univ. Prof. Dr.

Alfred Ebenbauer das Goldene Ehrenzeichen der

Universität Wien verliehen.

Können Sie sich noch erinnern was Ihre Gedanken

waren, als sie 1956 die Ausbildung zur »Assistentin

für physikalische Medizin« abgeschlossen haben?

Kinder mit Behinderung waren mir die liebsten

PartnerInnen, mit ihnen und ihrer Familie wollte ich

von Anfang an zusammenarbeiten!

Warum hatten Sie sich für den Beruf der Physio-

therapeutin entschieden?

Ich dachte wenn ich nachher Medizin studiere, habe

ich gute Vorkenntnisse – besonders in der praktischen

Arbeit. Aber zu einem weiteren Studium ist es gar

nicht gekommen, ich bin gerne bei der Physiotherapie

geblieben.

Auf welche Ihrer Leistungen im Bereich der

Physiotherapie sind Sie besonders stolz?

Ich habe viel Freude erlebt bei neuen Erkenntnissen

mitzuwirken und dabei, TherapeutInnen und PatientIn-

nen neue Wege der Therapie zu zeigen. Stolz aber

sollen die Kinder mit Behinderung und ihre Familien

sein die in der täglichen Arbeit einen Erfolg erreichen.

Was hat sich im Laufe Ihrer beruflichen Tätigkeit

aus Ihrer Sicht am meisten verändert?

Es gibt heute ein überaus vielfältiges Therapieangebot,

daher ist die wissenschaftliche Begründung einer

evidenzbasierten Therapie notwendig. Und es wird

mehr »Wirtschaftlichkeit« gefordert.

Was können junge PhysiotherapeutInnen heute

von Ihnen und Ihren KollegInnen mit langjähriger

Erfahrung lernen?

Sie können lernen, den gesamten Zustand der/des

PatientIn körperlich sowie auch psychosozial zu beur-

teilen, um eine gerade für die jeweiligen Möglichkeiten

geeignete Therapie auszuwählen und als Physiothera-

peutIn immer wieder zu reflektieren.

Die Physiotherapie in Österreich feiert den 100. Ge-

burtstag: Was wünschen Sie ihr für weitere 100 Jahre?

Physiotherapie von physis (altgriechisch) ist ein theo-

logisch-, philosophisch- und natur- wissenschaftlicher

Terminus und steht für »natürliche Beschaffenheit«.

Und wir sind innerhalb der Medizin die Berufsgruppe,

die sich darauf beruft! Es hat vor Jahrzehnten in Wien

einige Kämpfe erfordert, »Heilgymnastik« durch

»Physiotherapie« zu ersetzen, eine physiologische

Therapie für den ganzen Menschen! Ich wünsche

der Physiotherapie die volle Anerkennung im Medi-

zinischen Team durch selbständige medizinische

Anwendungen!

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physio

austria

inform

Februar 2016

Themenschwerpunkt

100 Jahre Physiotherapie in Österreich

Das Gespräch führte

Patricia Otuka-Karner.

Betzwarz legt als Gründerin und

1. Vorsitzende des »Verbandes

der diplomierten Assistentinnen

für physikalische Medizin Öster-

reichs« das Fundament für einen

eigenständigen Berufsverband,

heute Physio Austria.

1961

Durch Beschluss des 102. Bundesgesetzes

über die Regelung der Krankenpflegefach-

dienste, der medizinisch-technischen

Dienste und der Sanitätshilfsdienste wird

erstmalig in Österreich Berufszugang, -aus-

bildung und -ausübung geregelt: Start des

ersten Lehrganges »Schule für den physiko-

therapeutischen Dienst« am AKH in Wien.

Von Eigenständigkeit und Gleichberechtigung

gegenüber der ÄrtzInnenschaft konnte lange

keine Rede sein. So wurden noch bis 1992

ausschließlich ÄrtzInnen als LeiterInnen

von Schulen für Physiotherapie und deren

Prüfungskommissionen bestellt.

© Emmy Tauffkirchen

© Physio Austria